Geburtstag im August

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Glyn Paque * 29.08.1906, Poplar Bluff, Missouri, † 29.08.1953, Basel

Altsaxophon, Klarinette

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Glyn Paque: Afroamerikanischer Topsolist hebt Niveau der Schweizer Jazzszene

Wieso vergisst man vor lauter Johnny Hodges, Benny Carter und Willie Smith Glyn Paque, der mindestens auf der gleichen Ebene wie diese drei berühmten Altsaxofonisten spielte und auch als Klarinettist ein beachtliches Niveau erreichte?

New York City

Im Jahre 1926 kam der in Poplar Bluff, Missouri, am 29. August 1906 geborene Glyn Paque nach New York City, wo er mit Jelly Roll Morton, King Oliver, Luis Russell u.a. arbeitete. Doch bei keinem dieser namhaften Arbeitgeber kam er seinem grossen Talent entsprechend heraus, und Mitte der Dreissigerjahre bei Willie Bryant waren es die ständigen, zum Programm gehörenden Clownerien des Bandleaders, die einer echten jazzmusikalischen Würdigung seiner herausragenden Musiker, neben Paque Teddy Wilson, Cozy Cole, Taft Jordan u.a., im Wege standen.

Bobby Martin

Nach der Bryant-Zeit, die durch die Classic-CD 786 umfassend dokumentiert wird, startete Paque eine Europatournee mit dem Orchester Bobby Martin. Martin kehrte 1939 (Anfang des zweiten Weltkrieges) in die USA zurück, doch Glyn Paque liess sich in der Schweiz nieder.

Glyn in Switzerland

Vor 13 Jahren, im August 2010, verfasste unser leider viel zu früh verstorbene Freund Ueli Staub in seiner launigen Art ein Portrait von Glyn Paque, das dem Einstieg bei Fred Böhler und weiteren Schweizer Formationen einen gelungenen Abschnitt widmete. Ueli schrieb: «Mit dem Rest des Orchesters von Bobby Martin, den Paque «Cotton Club Serenaders» nannte, trat er zuerst im Basler Odeon auf. In unserem reich dotierten Archiv fanden wir den Originalvertrag: Fr. 12.- pro Mann einschliesslich Abendessen. Grosszügiger war Fred Böhler, der 1940 vom Sextett zur Big Band expandierte.
Er engagierte Paque, der Gold wert war, zumal er noch sehr gut sang. Einem weiteren Originalvertrag von 1942 entnehmen wir, dass Böhler dem charismatischen Paque Fr. 25.- pro Tag zahlte. Geködert hatte er ihn 1940 mit 40 Franken…! 12 Jahre blieb Paque bei Böhler, die ersten fünf am Stück. Übrigens beherrschte Paque die Technik der Zirkularatmung. Während des Blasens konnte er neue Luft durch die Nase aufnehmen und so endlos lange Töne von sich geben. Daneben war Paque in anderen Orchestern beschäftigt wie etwa bei den französischen Bandleadern Philippe Brun, der oft in der Schweiz auftrat, oder bei Jerry Thomas. Mit dem Orchester Lanigiro trat er im Basler Odeon auf, 1948 gehörte er zur Begleitband der Tänzer «The Nicholas Brothers». Er gründete dann ein eigenes Sextett. Bekannt sind Engagements im Berner Chikito (1949), erneut im Basler Odeon, vom Juni 1949 bis Februar 1950 in der Johnny-Bar Zürich und in Genf».  

For white only

Ein sehr schickes Foto unserer Sammlung zeigt den jungen Glyn in voller GI-Uniform. Da fragt man sich: Warum hatten so hochklassige Instrumentalisten keine Chance, bei Glenn Miller in der Army Air Force Band zu landen? Sieht man die Besetzungslisten all dieser Formationen durch, findet man keinen einzigen afroamerikanischen Musiker. Für Glyn Paque wäre ein Einstieg beim Army Air Force Orchester eine interessante berufliche Alternative zum Wechsel nach Europa mit Bobby Martin gewesen. Doch wäre dann aus der enormen Bereicherung der Schweizer Jazzszene durch den afroamerikanischen Spitzenmusiker Glyn Paque nichts geworden.

Am 29. August 1953, exakt an seinem Geburtstag, starb Glyn Paque in Basel an den Folgen eines Herzinfarktes. Er war in mancher Hinsicht ein farbiges Element der Schweizer Jazzgeschichte.

Jimmy T. Schmid

 

Beachten Sie bitte die Musikbeispiele: Bei Willie Bryant and his orchestra 1935/36, LP 18624  «The Sheik» und bei Fred Böhler auf der CD 00017
«I Found A New Baby» mit Gesang und Solo von Glyn Paque. Beide Tonträger sind aus unserem Archiv.