Geburtstag im März

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Introduction Bass Hill

Echos of Spring
Willie "The Lion" Smith p,
Ernest "Bass" Hill b, 
Wallace Bishop d Zürich 1949 

I Got Rhythm (G. Gershwhin)
Willie "The Lion" Smith p, Ernest "Bass" Hill b, Wallace Bishop d
Zürich 1949 

St. Louis Blues (W.C. Handy)
Willie "The Lion" Smith p, Ernest "Bass" Hill b, Wallace Bishop d
Zürich 1949 

Sister Kate (Armand Piron)
Willie "The Lion" Smith p, Ernest "Bass" Hill b, Wallace Bishop d
Zürich 1949 

Ernest «Bass» Hill

* 14.3.1900 Philadelphia – † 16.9.1964 New York

1938/39 bereits auf Tournee in der Schweiz

Einer der ersten schwarzen amerikanischen Musiker der in der Schweiz zu hören war, ist Ernest «Bass» Hill, der 1939 unter anderem im Tanzlokal «Sihlporte» in Zürich auftrat. Dies nachdem er bereits 1925 Josephine Baker auf Europa Tournee begleitet hatte. Er konnte es Ende der dreissiger Jahre nicht glauben, dass die Nazis so verrückt sein sollten (seine Worte), ernsthaft mit Krieg zu drohen. Darum hätte er es fast verpasst, sich 1939 in LeHavre noch rechtzeitig eine Schiffspassage nach den USA zu ergattern. Es gelang ihm auf einem der letzten Schiffe aus Europa zu entkommen. Der Krieg war bereits ausgebrochen.

Und schon 1949-52 tourte er wieder in Europa, auch in der Schweiz, etwa mit Bill Coleman. Leicht hätte er nach Kriegsende dem Rassismus und den stets rarer verfügbaren Gigs in Amerika permanent nach Europa ausweichen können. Doch diese schnelle, einfache Lösung war nicht seine Sache. Er blieb in den USA und nahm dort seine Verantwortung als Familienvater, als Berufsmusiker und als gewählter Funktionär der Union Local 802 (die New Yorker Sektion der nationalen Musikergewerkschaft) wahr. In dieser Position hat er ungezählten seiner Kollegen Hilfe und Beratung zukommen lassen. Etwa indem er dafür sorgte, dass säumige «Manager» von Musikclubs, Tourneen, Urheberrechten, Plattenfirmen usw ihren Verpflichtungen gegenüber den Künstlern vertragsgemäss nachkamen. Oder wenn er Berufskollegen dringendst riet, nicht aus kurzfristigem Geldmangel ihre Pensionskassenbeiträge an die «Union» zu sistieren. Womit sie schlimmstenfalls ein pekuniär sehr instabiles Alter riskiert hätten. Mit Hill als Gewerkschafts-Mann hatten die Cats einen  Berater und Fürsprecher mit dem Mut, der Ueberzeugung und den Fähigkeiten für ihre Rechte und gegen Widerstände und Vorurteile erfolgreich zu kämpfen. Zudem war er auch diplomatisch genügend begabt, um heikle Probleme elegant zu lösen.

Die Posaunisten Claude Jones und Harry White, oder der Saxophonist Gene Sedric (ex Fats Waller) und viele andere betonten oft, wie sehr sie seine professionelle Beratung und Unterstützung schätzten. Mit Schmunzeln erzählte «Bass», wie er der berüchtigten Abneigung von New Yorker Taxifahrern gegen Bassisten und Tubaspielern als Fahrgästen begegnete: er stand jeweils am Randstein um ein yellow cab heran zu winken. Hielt dieses an, öffnete er die Tür, nannte sein Fahrziel (ausserhalb von Harlem), ging zur Haustür um seine beiden Instrumente zu holen, verlud sie rasch… und war unterwegs, mitsamt seinem für den Fahrer etwas sperrigen und daher missliebigen Gepäck.

«Bass» Hillrealisierte, dass er nie ein Superstar im populären Sinn sein würde. Was auch nicht sein Ziel war. Aber alle Musiker,  Band Leader, Agenten etc wussten, dass er ein Meister des Kontrabasses und der Tuba war – und dass er zuverlässig und diszipliniert war; nie ein Engagement verpasste, nie zu spät, unvorbereitet oder angetrunken zu einem Auftritt erschien. Darum konnte er seine Familie selbst in den wirtschaftlich schwierigsten Perioden immer anständig durchbringen. Roy Eldridge sagte über ihn: «…der zuverlässigste Mann in diesem holprigen Geschäft!»

Hill selber sagte es so: «Ich war nie wirklich berühmt oder ein Star. Alle Musiker, Leader und Agenten wussten jedoch, dass ich zuverlässig war und dass ich den Bass und die Tuba perfekt beherrschte. Deshalb hatte ich praktisch immer Arbeit in meinem Metier als Musiker».

Und er war ein Menschenkenner. Er hatte das Talent, Leute sehr rasch richtig einzuschätzen: Bluff, Falschheit oder Oberflächlichkeit erkannte er nach kurzer Zeit. Mit solchen Menschen wollte er seine Zeit nicht vergeuden. Wenn er andererseits den Ausdruck «friend» gebrauchte, dann meinte er tatsächlich Freund, nicht im inflationären Sinn wie er im amerikanischen Sprachgebrauch so oft auch für nur oberflächlich Bekannte verwendet wird.

Eine seiner wichtigsten Leitgedanken war es, allen – vor allem natürlich seinen Musikerkollegen - zu helfen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten waren. Dabei gab es bei ihm aber auch klare Grenzen. Wenn er spürte, dass er von jemandem genarrt oder betrogen werden sollte, gab es kurzen Prozess: «Wenn ich merke, dass mich einer vor allem abreissen will oder meinen Rat missbraucht, höre ich ihm kein zweites Mal zu. Das Leben ist zu kurz für solche Leute».

Am Anfang seiner Laufbahn formte er seinen Stil nach den grossen New Orleans Bassisten Wellman Braud, Pops Foster und Al Morgan. Gegen Ende der dreissiger Jahre richtete er sich mehr nach Musikern wie John Kirby oder Walter Page aus.

Harlow Atwood, ein Schulfreund des Bassisten Bob Haggart, sagte: «Als wir lernten Bass zu spielen waren wir stark beeinflusst von Pops Foster, Bass Hill und Bill Johnson. Später auch von John Kirby und Elmer James, beides ursprünglich Tuba-Spieler». (Zitat aus John Chiltons Buch STOMP OFF, LET’S GO!)

Zu seinen besten Aufnahmen zählen sessions wie die von Red Allen/Luis Russell mit Patrol Wagon Blues; Swing it, Symphony in Riffs oder Blue Lou mit Benny Carter; Fanfare, Someone stole Gabriel’s Horn und Sweet Sorrow Blues mit Spike Hughes; Krazy Kapers oder Blue Interlude von den Chocolate Dandies; Crazy Rythm (sein einziges Solo auf Platten) von Bobby Martin; A pretty Girl is like a Melody mit Eddie South; die Titel des Hot Lips Page Trios von 1940 mit Teddy Bunn; und Punch Millers 1947er Century Sessions.

«Bass» war auch mit zahlreichen andern Formationen unterwegs, so auch mit Louis Armstrong oder mit Willie Bryant.

Ein besonderes highlight für Hill – und für die Kenner - war das einzige Jazzkonzert, das der grosse Zürcher Kenner Johnny Simmen jemals organisierte. Der Star in der Tonhalle in Zürich an diesem 15. Dez. 1949 war der Stride-Pianist Willie «The Lion» Smith,  grossartig begleitet von Wallace Bishop am Schlagzeug, und von Ernest «Bass» Hill. Dieses einmalige Ereignis, nicht Teil einer Tournee, ist vollumfänglich auf CD publiziert worden. Was an diesem Abend alles passierte, musikalisch, unter den Musikern und interaktiv mit dem Publikum, das war und bleibt absolut umwerfend: grossartig swingende Musik und Unterhaltung vom Feinsten. Weshalb ich Ihnen sehr empfehle, diese CD zu besorgen.

Konrad Korsunsky. Persönlich habe ich Hill nicht gekannt. Der Inhalt dieses Artikels stützt sich weitgehend auf Briefe von Bass Hill an Johnny Simmen; auf mündliche Berichte, auf Artikel sowie Vortragsmanuskripte von J. Simmen. Eine weitere Informationsquelle war ein umfangreiches scrap-book von Bass Hill, das er seinem Freund Simmen vererbte und das ein Teil des historischen Simmen – Archivs im Swiss Jazzorama Uster ist.