Portrait für den Monat Juni 2024

Urs Blöchlinger

* 4. Juni 1954 – † 3.März 1995

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Es war ein Schock: Am 3.März1995 wählte der Schweizer Jazzmusiker Urs Blöchlinger den Freitod. Die Schweizer Jazzszene war bestürzt und tief betroffen. Urs war ein Getriebener, ein Besessener, ein kompromissloser Musiker, der durch die Szene wetzte und wühlte. Mit seinem Elan, seiner Energie und Originalität als Saxofonist wie Komponist war er ein unermüdlicher Antreiber, eine Leitfigur des CH-Jazz.
Nur schon die Namen seiner Bands, das Jerry Dental Kollekdoof“,. Seine Formation „Legfek“, Bermuda Viereck“, „Kutteldaddeldu“, das Duo „Blochbaum“ etc. zeigen auf seine fantasievollen Kompositionen hin. Urs Blöchlinger lernte zunächst als Autodidakt Gitarre und Trompete, bevor er sich dem Saxophon zuwandte. Er studierte für kurze Zeit an der Swiss Jazz School in Bern, wechselte dann an die Musikakademie in Zürich. 
Er gründete ein eigenes Trio dann das Ensemble „Lekfek“  und die Gruppe „Heilige Bimbam“. Seit 1981 verheiratet mit der Pianistin Valérie Portmann schrieb er  multistilistische Kompositionen zwischen Modern Jazz und Neuer Musik und experimentierte mit Improvisationskonzepten. „Der passionierte Grenzgänger und heiter-melancholische Avantgardist war rastlos zwischen den Stilen, zwischen Klamauk und einer Ästhetik des Widerstands unterwegs. „Ich kann nicht einmal sagen, dass ich den Stil, den ich spiele, bewusst gewählt habe“- meinte er in einem Interview. „meine Musik hat sich ergeben und verändert sich je nach Situation. Ich geniesse es, dass es immer wieder ganz anders herauskommt.“
Blöchlinger war ein grossartiger Improvisator, er erfand wunderschöne Melodien, die er im Handkehrum zerlegte, demontierte und zerfetzte.
Mit der LP „Neurotica“ hatte er Mitte der achtziger Jahre seine grössten Erfolge. In den letzten Jahren begann er jenseits der reinen Jazzmusik zu komponieren , Lieder, Stücke und ganze Geschichten. 
Bald wurden auch etablierte Jazzmusiker auf ihn aufmerksam und engagierten ihn für ihre Projekte. So mit der Concert Jazz Band von George Gruntz oder in Ensembels der Amerikanerin Carla Bley.  Auch mit dem Zürcher Pianisten Urs Voerkel musizierte Blöchlinger- von dem Ensemble „Heilige Bimbam“ stammt die letzte Aufnahme, die kurz vor seinem Freitod im Jahr 1995 entstand. 
Die Musik Blöchlingers wird uns immer als eine eigentümliche, aber durchaus anziehende Mischung aus hintergründigem Humor und unendlicher Traurigkeit in Erinnerung bleiben.
Der Musiker Christoph Baumann mit dem Blöchlinger seit gemeinsamen Kindergartentagen befreundet war , betont, dass weder er selbst noch Blöchlinger sich als Jazzmusiker betrachtet haben. Hingegen: „Die Jazzer haben sich für uns interessiert“.

Mai 2024 fs