* 19. Juli 1927 – † 3. Februar 1987
Der leider im Winter 1987 zu früh verstorbene Pianist, Vibrafonist und Komponist Remo Rau wurde 1927 als Sohn eines Auslandschweizers in Yokohama, Japan, geboren. Schon dort erhielt er Unterricht im Spielen der Oboe und war Mitglied in verschiedenen Kammerensembles.
Mit Klassik geht’s weiter.
Als Remo Rau 1942 mit Fünfzehn in die Schweiz kam, setzte er seine Ausbildung in der Klassik bei Charles Dobler in Solothurn und Wladimir Vogel in Zürich fort. Auch widmete er sich intensiv dem Spielen von Klarinette und Saxofon. Sein Interesse für den Jazz nahm konkrete Formen an, doch eine Tuberkulose verunmöglichte ein weiteres Studium der Holzblasinstrumente. Nun begann er mit viel Einsatz Klavier und Vibrafon zu spielen.
Der Jazz rückt nun ins Zentrum
In einer Zürcher Teppichfirma arbeitet er nur halbtags, um genügend Zeit für seine Aktivitäten als Jazzmusiker zu haben. Er gründete die Formation „Three Cities Quartet“ die 1959 am Jazz Festival Zürich den zweiten Platz belegte. Schon in den frühen Sechzigerjahren mischt er seine eigenen Kompositionen mit kurzen Elementen des Free Jazz. Seine späteren Bands, denen er fantasievolle Namen wie „Jungle Sob Soul Boppers“ oder „Ensemble Musica Giganthropos“ gab, waren damals für viele jüngere Musiker, z.B. Jürg Grau, Thomas Moeckel oder Nick Liebmann, so etwas wie wichtige Lehrinstitutionen.
Abstecher in Richtung zeitgenössische Klassik
Werner Kaegi, Boris Mersson, Robert Suter waren nicht die einzigen Jazzmusiker, die sich für die zeitgenössische E-Musik interessierten. Remo Rau hatte in Zürich dem Jazzleben wichtige Impulse gegeben, doch seine Kompositionen im Bereich der modernen Klassik sind leider kaum bekannt. Seine Kammermusikstücke wurden sehr selten gespielt, das „Konzert für Flöte, Streichorchester und Perkussion“ nur einmal unter der Leitung von Marc Andreae am Tessiner Radio. Die Operntriologie „Gaia-Kristall-Terra Nova“, die er mit „Wunschtraum einer friedlichen Erde“ umschrieb, wurde nie aufgeführt. Aus Remo Raus Briefen geht hervor, dass er vergebens versucht hat, sein Werk an Stadttheatern der Schweiz unterzubringen.
Das Africana
Die später als „First Lady of Free Jazz“ gefeierte Pianistin Irène Schweizer erinnert sich: „Die beste Zeit für den Jazz in Zürich waren die Sechzigerjahre. Ich spielte mit meinem Trio viel im Jazzclub Africana. Die treibende Kraft hinter dem Club war der vielseitige Remo Rau“. Irène Schweizer bezeichnet ihn heute noch als ihren Jazzvater. Er verstand es, immer wieder junge Musikerinnen und Musiker zu fördern und ihnen Mut zu machen, ihren Weg zu gehen.
Ähnliche Geister
Durchforscht man die Portraits von Jazzmusikern und -musikerinnen der Schweiz, findet man nur selten eine Persönlichkeit, deren Aktivität sich sowohl über den Jazz als auch über die Klassik erstreckte. Der gebürtige Ustermer Erich Büsser (1928 – 2015) ist hier herausragend. Auf der einen Seite professioneller Organist, Komponist (mit 50 eine Johannes Passion!) auf der anderen Seite ein begeisterter Jazzpianist (mit viel Bewunderung für den echten BeBoper Bud Powell). Der Unterschied im Musikalischen zwischen Remo Rau und Erich Büsser liegt hauptsächlich darin, dass Erich dem Barocken (Bach etc.) zugewandt war, Remos Ambition hingegen das Gebiet der modernen Klassik betraf.
Bei den Kulturinstitutionen stiessen Remo Raus zukunftweisende Ideen auf wenig Verständnis. Mit seinen spartenübergreifenden Werken (er versah sie akribisch mit Opuszahlen) fiel er zwischen Stuhl und Bank. Er starb 1987 an Krebs und an einem gebrochenen Herzen.
Unser Portrait über Remo Rau orientiert sich weitgehend an Notizen des Schlagzeugers Nick Liebmann, der einige Jahre mit Remo Rau gearbeitet hat.
Jimmy T. Schmid