Audio

Eddie Brunner & his Orchestra:
Bagatelle (13.06.1938)
Smoke House (1940)

Magnolians feat. Eddie Brunner, Volkshaus Zürich 1934:
Sensation

Eddie Brunner & his Original Teddies feat. Phyllis Heyman, 1942:
The Ñango

Original Teddies feat. The 4 Cacadoes, Juni 1942:
Deep in the Heart of Texas

Eddie Brunner & Bill Coleman, Paris, 13.06.1938:
In a little Spanish Town
Montmartre Blues

Eddie Brunner, * Zürich, 19.07.1912, † Zürich, 18.07.1960

Saxophonist (Tenor, Alt), Klarinettist und Swing Bigbandleader

Archivdaten von Eddie Brunner >>>

Brunner lernte neben Saxophon auch Klavier und spielte 1929 in Zürich in der Amateur-Band „Varsity Seven“. Nachdem er in mehreren Tanzorchestern, u. a. 1931 in Berlin in dem des Saxophonisten René Dumont und 1933 in der des Geigers Marek Weber, spielte, wurde er 1936/7 Mitglied der „Goldenen Sieben“. 1936 bis 1939 lebte er in Paris, und kehrte erst bei Kriegsausbruch in die Schweiz zurück. 1939 war er bei Louis Bacon und dann im selben Jahr Mitglied der „Original Teddies“ (als Solist mit dem Tenorsaxophon) von Teddy Stauffer in der Schweiz, die er 1941 von diesem übernahm, als Stauffer nach Amerika ging. Dort spielte Henry Mason, kurz auch Hazy Osterwald. 1948 wandelte er die Teddies in ein Sextett um und spielte ausserdem in den 1950er Jahren viel als Studiomusiker. Er nahm schon ab 1938 gelegentlich als Leader auf und auch in den 1940ern, während er viel mit den Teddies aufnahm. Er machte u. a. mit Bill Coleman, Willie Lewis, Glyn Paque, dem französischen Jazztrompeter Philippe Brun, Lale Andersen und den Peters Sisters Aufnahmen. Ab ungefähr Mitte 1948 wurde Eddie vom damaligen Chef des Unterhaltungsorchesters Cedric Dumont als Tonmeister im Radiostudio Basel engagiert.

(Carlo Bohländer, Karl Heinz Holler, Christian Pfarr: Reclams Jazzführer)

Mit 10 Jahren begann er Klavierstunden zu nehmen, und mit 17 Jahren spielte er im Zürcher Amateurorchester „Varsity Boys“ Altsaxophon. Später wurde er vom Bandleader René Dumont als Tenorsaxophonist engagiert und ging mit ihm nach Berlin. Er spielte in der Folge mit den Orchestern Louis de Vries und Marek Weber und begab sich 1936 nach Paris, wo er bis zum Kriegsausbruch blieb. Dort machte er die Bekanntschaft mit allen französischen Stars wie Alex Combelle etc. Ende 1939 veliess Eddie Brunner Frankreich, um sich den „Original Teddies“ anzuschliessen, deren Leitung er, nachdem Teddie Stauffer seinen Wohnsitz nach Amerika verlegt hatte, 1941 übernahm.
Eddie Brunner spielte nicht nur Tenorsaxophon, sondern auch Klavier, Klarinette und vom Sopran- bis zum Baritonsaxophon. Anfänglich improvisierte er im ziemlich negroiden Stil des französischen Tenoristen Alix Combelle, liess sich aber bald durch den amerikanischen Tenoristen Eddie Miller inspirieren. Er begnügte sich jedoch nicht, diesen zu kopieren, sondern verstand es, seinen eigenen Stil zu schaffen.
Eddie Brunner starb leider viel zu früh am 18.7.1960, nur einen Tag vor seinem 48. Geburtstag. Seine Musik wird aber, dank der vielen Aufnahmen, immer lebendig bleiben.

(Unbekannt)

Es ist merkwürdig, wenn es um das Jazzgeschehen in unserem Land in Vergangenheit und Gegenwart geht, dann schwankt die Beurteilung zwischen Über-und Unterbewertung. Dass Teddy Stauffers Band, die Original Teddies, eine grossartige Swingmusik machte, wissen all jene, die die Band in den 30er Jahren gehört haben. Verschiedene Wiederveröffentlichungen haben auch den jungen Jazzfreunden einen Eindruck von dieser Band vermittelt, die zu den führenden europäischen Tanzorchestern jener Zeit gehörte und den dominierenden englischen Big Bands wenig nachstand. 1941 verliess Stauffer Europa und die Band wurde von seinem Tenorsaxophonisten Eddie Brunner weitergeführt. Das bedeutete keine Schwächung, sondern noch eine Steigerung des Profils der Band, denn die Arrangements wurden anspruchsvoller, die Bläsersätze – vor allem die Saxophongruppe – klangen voller und farbiger, die Rhythmusgruppe gewann an Swing und die ganze Band spielte vitaler, konzessionsloser und mehr relaxed als zuvor. So sind die Aufnahmen von Eddie Brunner und den Original Teddies aus den Jahren 1942 und 43 noch merklich besser als die der Stauffer Band der 30er Jahre. Der herausragende Solist war auch da wieder der deutsche Klarinettist Ernst Höllerhagen, dem nun endlich die Würdigung zuteil zu werden scheint, die man diesem 1956 verstorbenen Musiker längst gewünscht hätte.

(Dieter Zimmerle, Jazz Podium, März 1965)

Von gleich zwei Viren heftig infinziert

Das Beispiel Eddie Brunner, der 1960 verstorben ist, zeigt, dass die Schweiz spätestens seit den dreissiger Jahren eine reiche Kulturszene beherbergt, die damals zwar nicht einmal von deren Protagonisten als Kultur definiert worden wäre. Beispielhaft ist der Lebenslauf Eddie Brunners für die Geschichte der schweizerischen Unterhaltungsmusik und – eng damit verbunden – des Radiowesens in der Schweiz von den frühen dreissiger bis in die späten fünfziger Jahre.
Wie viele andere Jugendliche seiner Zeit wurde der Gymnasiast Eddie Brunner in den späten zwanziger Jahren von zwei Viren gleichzeitig und recht heftig ergriffen. Der erste war das Radio, das damals vor allen Dingen ein beliebtes und schon weitverbreitetes Bastler- und Pröbelobjekt war. Hauptsächlich ging es darum, auf selbstgebastelten Kurzwellenempfängern Stationen aus den entferntesten Winkeln herauszupeilen. Zum wirklichen Massenkommunikationssmittel wurde das Radio erst später, als totalitäre Regimes dessen immensen Propagandawert erkannt hatten.
Der andere Virus (oder war es ein Bazillus?) hiess Jazz und war über seinen Träger, die wahre Tanzwut der Roaring Twenties, selbst bis in schweizerische Städte vorgedrungen, wenn auch nie mit derselben Vehemenz wie in Paris, Berlin und anderen grossen Städten.
Was lag also näher, als dass Brunner, zwanzigjährig, dem Ruf der Schweizer Jazzpioniere Walter Baumgartner und René Weiss nach Hamburg folgte, statt, wie sein Vater, eine akademische Laufbahn einzuschlagen? Eine gewisse klassische musikalische Ausbildung und einige Erfahrung in Jazz- und Unterhaltunsgorchestern Zürichs erlaubten ihm, wie vielen anderen jungen Schweizer Musikers, die etwa zur selben Zeit den Schritt ins Ausland gewagt hatten, schnell einen sicheren Platz auf dem europäischen Parkett zu finden.
Seine Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem, sei es nun technischer oder musikalischer Art, sein feines Musikgehör und vor allem sein fast grenzenloser Perfektionismus liessen den Multiinstrumentalisten in den dreissiger Jahren aus dem Schattendasein des unbekannten Unterhaltungsmusikers treten und mit dem unverkennbar warmen Timbre seines Tenors zum gesuchten Jazzsolisten in ganz Europa avancieren.
Zeitweise kehrte er für Gastpiele in die Schweiz zurück, so zum Beispiel 1936 nach Zürich, wo er aus familiären Gründen für einige Zeit blieb und so am Debut eines anderen Grossen des Schweizer Jazz beteiligt war, an Fred Böhlers erstem Engagement im „Corso“ Zürich, wo Brunner auch später, diesmal mit den Teddies, Triumphe feiern sollte.
Die Weltausstellung von 1937 in Paris muss für europäische Jazzmusiker besonders spannend gewesen sein, bot sie doch Gelegenheit zum Treffen mit amerikanischen Jazzgrössen wie Coleman Hawkins und Bennie Carter. Brunner erkannte, dass deren viel reicherer Ton nicht mit einem besonders präparierten Saxophon, sondern schlicht und einfach mit grösserem instrumentalem Können zu tun hatte. Er wusste aber auch die Gelegenheit zu nutzen, um eine mit internationalen Grössen hochdotierte, erste Platte unter seinem eigenen Namen aufzunehmen. Die Biographien der international bekannten Schweizer Jazzmusiker ähneln sich für die kommenden Jahre alle: Mit dem Kriegsausbruch Heimkehr in die Schweiz, Engagement an der Landi mit den Lanigiros, Fred Böhler, oder, wie Brunner, mit Teddy Stauffer; auch danach, bis nach dem Krieg, immer volle Agenden, gute Engagements in der ganzen Schweiz; von Lebensmittelrationen, finanziellen Engpässen während des Kriegs spürten sie in den Hotels weniger. Die Swingboys, wie sie und ihre grössten Anhänger oft auch etwas abschätzig genannt wurden, konnten sich Freiheiten und Vergnügungen herausnehmen, die sonst während dieser Zeit nicht selbstverständlich waren.
Nebst dem Zürcher „Corso“ waren das „Dreikönige“ in Basel und das „Moulin Rouge“ die ganz wichtigen Kultorte der grossen Swing-Welle. Brunner übernahm nach dem Wegzug Stauffers nach Mexico die Leitung der Original Teddies und baute einen Saxophonsatz von Weltniveau mit damals innovativen Unisonoklängen auf. Nach den Konzerten sass der Bandleader jeweils hinter seinem  Kurzwellenempfänger und seinem Aufnahmegerät, um aus amerikanischen Sendern, die über die schwimmende Relaisstation Atlantis für die amerikanischen Truppen und für Propaganda nach Europa strahlten, die neuesten Hits auf sogenannte Pyralplatten aufzunehmen. Am nächsten Tag waren die Nummern dann schon im Repertoire der Teddies.
Das Kriegsende brachte den grossen schweizerischen Bands mit den amerikanischen Armeeurlaubern nochmals goldene Zeiten, die sich aber nachträglich als Schwanengesang ausnahmen. Gleichzeitig mit der sofortigen Zunahme der ausländischen Orchester, die in kleineren Combos in allen möglichen Kostümen an Spanisches oder Südamerikanisches erinnernde Klänge zum Besten gaben, nahm auch die grosse Tanzlust ab. Ein Dancing nach dem anderen schloss, die grossen Orchester konnten sich nicht mehr halten.
Im kriegszerstörten Ausland war vorderhand kein Bedarf an Schweizer Jazzmusikern. In dieser Zeit begann Hazy Osterwald seine Bigband bis auf das berühmte Sextett abzuspecken, und Eddie Brunner gab im Frühjahr 1948 das letzte Konzert mit den Teddies, um mit einer vierköpfigen Rhythmik ein Engagement im „Corso“ anzunehmen. Viele Musiker nahmen einen bürgerlichen Beruf auf, betrieben nun ihre Unversitätsstudien mit dem nötigen Aufwand oder hatten das Glück, in eines der Radiounterhaltungsorchester, die es heute auch nicht mehr gibt, aufgenommen zu werden. Das Radio wurde häufig zum Arbeitgeber für ehemalige Musiker dieser Szene. Sie waren die eigentlichen Spezialisten für die nun endlich vermehrt berücksichtigte Sparte der sogenannten U-Musik.
Erik Brooke, Walo Linder und Cedric Dumont sind dafür die bekanntesten Beispiele. 1952 gelang es letzerem, Eddie Brunner trotz dazu fehlenden Diplomen eine vakante Stelle als Tonmeister und Regisseur im Basler Radiostudio anzubieten. Qualifiziert war er einzig durch seine musikalischen Kenntnisse und die Art, wie der Bastler mit seinen Orchestern tontechnisch immer an vorderster Front stand. Seine leider allzu kurze Radiokarriere könnte nun als Vorzeigeschild dienen für die Idee, dass Persönlichkeiten, die verwegene Jugendträume durch Risikobereitschaft, Innovationsfreude und mit der nötigen Energie verwirklichen können, später im Berufsleben Überdurchschnittliches leisten können, auch wenn sie ein erhebliches Manko an institutioneller Ausbildung aufweisen.
So gehört Eddie Brunner nebst Max Adam und Jürg Jecklin heute in die Reihe jener überaus entwicklungsfreudigen und richtungsweisenden Tonmeister, welche die Tontechnik des Basler Radiostudios über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. Hazy Osterwald nahm mit ihm seine erste für den amerikanischen Markt bestimmte Jazzplatte auf, die, im Gegensatz zu sonstiger europäischer Produktion, auch hinsichtlich Tonqualität das Publikum jenseits des Atlantiks packen konnte.
Pionierarbeit leistete Brunner insbesondere im Bereich der Stereophonie und des Playback, trotz gewaltiger Widerstände seitens der PTT, welche die dazu nötigen Geräte hätten beschaffen sollen. 1954 wechselte Eddie Brunner von der Unterhaltungsmusikabteilung zum Tonmeister für ernste Musik. Er war in dieser Funktion unter anderem auch für die Aufnahmen an den internationalen Musikfestwochen Luzern zuständig – also doch Kulturschaffender.

(Theo Mäusli, 90er Jahre)

Wenig Glück hatte Athos Micheli mit seiner Band im Berliner Ciros Club. Saxophonist Eddie Brunner, Mitglied in Michelis Band, musste in die Schweiz zurückkehren, Ed Cohanier nahm seinen Platz ein. Cohanier schilderte die Begebenheit wie folgt: „Eddie Brunner hatte zuviel getrunken und rempelte SS-Leute an. Das war sehr gefährlich um jene Zeit. Der Besitzer des Ciros sagte ihm: Du musst sofort packen und verreisen. Und am anderen Morgen um sechs Uhr brachte man ihn mit dem Auto auf den Flughafen Tempelhof. Die Gestapo kam um acht Uhr und wollte Eddie abholen, aber Eddie war weg.“

(Otto Flückiger und Armin Büttner, „Swing in Switzerland – die Jazztanzorchester“, in „Bruno Spoerris „Jazz in der Schweiz - Geschichte und Geschichten“)

Eddie Brunner war 1951 – 1959 in der Jury des Nationalen Jazz Festival Zürich.
Eddie Brunners Tenorsaxophon wurde am Jazz Festival Zürich 1971 dem Tenoristen Ernst Gerber geschenkt. Heute ist es im Besitz von Jörg Morgenthaler.

(Fernand Schlumpf)

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Siehe auch unsere Porträts von weiteren „Original Teddies“:

Teddy Stauffer >>>

Phyllis Heymans >>>

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Zusammengestellt von Thomas Schärer