Im Alter von zehn Jahren kam er nach Aarau, wo er später eine Lehre als kaufmännischer Angestellter absolvierte. Angeregt von einem Onkel, der als Amateurpianist auftrat, begann er noch als Schüler autodidaktisch Kontrabass zu spielen. Der Onkel führte ihn auch in die Oltner Jazzszene um Umberto Arlati ein. Mit Musikern aus diesem Umfeld nahm er 1952 und 1953 am Zürcher Amateur-Jazzfestival teil und gewann jeweils den zweiten Preis bei den Bassisten.
Nach Abschluss der Berufslehre ging Erich Peter für zwei Jahre nach London, wo er sofort Anschluss an die dortige Bebop-Szene fand und Schallplattenaufnahmen mit Kenny Graham, Victor Feldman und der Bigband von Ronnie Scott realisierte, mit der er erstmals als Berufsmusiker unterwegs war. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz wurde er kurzzeitig Mitglied des Tanzorchesters von Mac Strittmatter und trat danach in die Kurt Weil−Band ein, mit der er in verschiedenen westeuropäischen Jazzclubs sowie an der Weltausstellung in Brüssel gastierte. Ende 1958 begann er in Paris als Freelance-Musiker in den einschlägigen Clubs zu spielen und bildete dann zusammen mit dem Schlagzeuger Pierre Favre das George Gruntz Trio, das unter anderen die Amerikaner Chet Baker und Dexter Gordon begleitete und auch die Rhythmusgruppe der Flavio Ambrosetti All Stars bildete, die im Februar 1959 an den Festivals von Lugano und Sanremo auftraten. Im Schweizer Fernsehen begleitete er Bud Powell und Clark Terry; auch holte ihn Barney Wilen zu Plattenaufnahmen (Newport ’59).
Ab Ende 1960 arbeitete Peter ein Jahr lang in Rom für das Radio der RAI, wo er zusammen mit dem Pianisten Joël Vandroogenbroeck und Pierre Favre das Studio-Quartett des italienischen Trompeters Nunzio Rotondo komplettierte. Auch spielte er Anfang der 1960er Jahre im American Jazz Ensemble mit Pierre Favre und bei Fritz Münzer. Im Sommer 1962 zog er dann für 15 Jahre nach Spanien. Als Mitglied des Trios um den blinden Pianisten Tete Montoliu spielte er mehrere Alben ein und begleitete auch zahlreiche amerikanische und europäische Starsolisten wie Lucky Thompson und Ben Webster, am Jazzfestival Juan-les-Pins 1966 auch die Sängerin Anita O’Day. Mit der Flamenco-Jazzgruppe des Saxofonisten Pedro Iturralde, zu der auch der Gitarrist Paco de Lucía und der Schlagzeuger Peer Wyboris gehörte, trat er 1967 zudem an den Berliner Jazztagen auf.
Nach seinem ausgedehnten Spanien-Aufenthalt kehrte Erich Peter 1977 nach Aarau zurück und wirkte fünf Jahre lang als Basslehrer an der Swiss Jazz School in Bern. Daneben und danach spielte er als Freelancer mit verschiedenen schweizerischen und internationalen Musikern aus dem Bereich des modernen Straight-ahead-Jazz. So bildete er mit Andy Scherrer und Peter Schmidlin das Trio Cojazz.
Peter wirkte im Laufe seiner Karriere von 1952 bis 1991 bei 44 Aufnahmesessions mit und starb in Aarau nach längerer Krankheit.
(Wikipedia)
Auszüge aus dem Buch „Der Teamplayer Erich Peter“ von Bruno Rub:
Jugend in Aarau
Überall hörte man Marschmusik, am späteren Abend klangen Studentenlieder aus den Gaststätten und dort, wo Live-Musik angeboten wurde – in der „Aarauer Stube“, im „Roschtige Hund“ oder im „Affenkasten“ – handelte es sich um Ländler, Schlager und Melodien aus Operetten.
Die Stationen, die der eher schmächtige und stille Knabe durchlief, waren die üblichen. Nach der Primarschule konnte der intelligente Junge in die Bezirksschule eintreten. Eine Laufbahn über die Kantons- oder Hochschule ins akademische Milieu stand für Kinder seiner sozialen Herkunft allerdings keine Sekunde lang zur Diskussion. Erich sollte „etwas Rechtes lernen“, und so trat er im Frühjahr 1951 eine kaufmännische Lehre bei der Firma Eisen- und Stahlwerke Oehler u. Co AG in Aarau an. Sein wahres Leben spielte sich in einer anderen Welt ab.
Wo und wann es zum Urknall gekommen war, aus dem diese andere Welt entstanden ist, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Man darf aber annehmen, dass es gegen Ende der Bezirksschulzeit geschehen ist, irgendwo in Aarau oder Umgebung, und sicher mit einem Namen verbunden: Hans Greub. Er war Erichs Onkel mütterlicherseits. Der Amateurpianist spielte Tanzmusik und Jazz im traditionellen Stil. Einmal lud er seinen Neffen ein, ihm bei einem Auftritt zuzuhören. Bei dieser Gelegenheit war eine Kapelle zugange, die zwar einen Kontrabass besass, ihn jedoch nur gelegentlich und als Zweitinstrument einsetzte. Onkel Hans überredete nun Erich dazu, in den nächsten paar Stücken den Bass zu zupfen. Ohne Vorkenntnisse stellte sich der kleine Schüler hinter das grosse Ding – und dann passierte es. Von nun an wusste Erich Peter, dass dieses Instrument für ihn wie geschaffen war und dass er selbst ein solches besitzen wollte. Er fing an, dafür Geld zu sparen. Ein finanzieller Zustupf seines Onkels ermöglichte schon bald den ersehnten Kauf.
Was nun begann, war eine beinahe fanatisch zu nennende Auseinandersetzung mit dem Jazz und mit dem Bass und die Offenbarung eines riesigen Talents. Erich nutzte jede freie Minute, um zu Hause seine Läufe zu üben oder unisono mit den Jazzbassisten auf seinen wenigen Schellackplatten zusammen zu spielen. Im Sommer tat er das bei offenem Fenster, sodass sich die Passantinnen und Passanten in der Hinteren Vorstadt mit einer völlig neuartigen Musik konfrontiert sahen. Die Hellhörigen unter ihnen registrierten zudem die enormen Fortschritte, die der Musikant innert kürzester Zeit machte. Auch Onkel Hans beobachtete seinen Neffen mit zunehmender Faszination und spielte schon bald mit ihm im Duo zusammen. Im ersten Stock des „Affenkastens“ stand nämlich ein Klavier. Es dauerte nicht lange, bis Hans Greub seinen Schützling erstmals zu einer Probe in die Oltener Szene mitnahm und ihm so eine entscheidende Horizonterweiterung ermöglichte.
Vor allem zwei Persönlichkeiten im Kreis um den Posaunisten und Organisator Willy Schmid in Olten waren es, die Erichs weiteren Weg als Musiker entscheidend prägen sollten: der Bassist Gus Meyer und Trompeter Umberto Arlati, beides Schlüsselfiguren des frühen helvetischen Modern Jazz. Die beiden fuhren jede Woche einmal ins zürcherische Erlenbach, wo in der Villa des Schlagzeugers und Fabrikantensohnes Rico Flad jeweils nächtelange Jamsessions stattfanden. Einmal spielten Erich Peter und Umberto Arlati dort mit einem Wiener Pianisten zusammen, der später Weltkarriere machen sollte: Joe Zawinul. Bei solchen Sessions bildeten sich auch immer wieder Combos, die versuchten, Engagements in den verschiedenen Städten zu ergattern. So traten Peter und Arlati in den frühen 1950er-Jahren häufig im Basler Café „Atlantis“ auf. Andere Spielorte waren die halb oder ganz privaten Jazzkeller, die es in jener Zeit in Bern und Zürich gab, zum Beispiel jener des Pianisten René Nyffeler, der die beiden Kollegen aus der Oltener Szene immer wieder gerne zu Konzerten einlud.
Im Herbst 1951 bot sich für all die Musiker aus diesem Umfeld erstmals die Chance, aus ihrem Kellerdasein herauszutreten und sich einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. André Berner, Sohn des Jazzpioniers und Pianisten Ernest R. Berner, organisierte in Zürich das erste Amateur-Jazzfestival. Bereits beim zweiten Festival Mitte September 1952 nahm Erich Peter – er war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 17 Jahre alt – als Mitglied dreier Formationen teil, in denen immer auch Umberto Arlati mitwirkte. Erich Peter wurde für seine drei Einsätze als Bassist von der Fachjury mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Die gleiche Ehre widerfuhr ihm ein Jahr später.
Nationale Ehrungen hin oder her: Zuhause in Aarau wurden die Erfolge nicht registriert. Das lag zunächst daran, dass der aktuelle Jazz in diesen frühen 1950er-Jahren gerade in der Provinz ein Schattendasein fristete. Den Soundtrack zur Amerika-Euphorie, die nach dem Krieg ausgebrochen war, lieferten immer noch die alten Platten von Glenn Miller und Benny Goodman und die neueren von Louis Armstrong oder Doris Day. Der als „schwierig“ stigmatisierte moderne Jazz dagegen war eine Angelegenheit kultureller Freigeister: die Amateurmusiker, die sich ihm widmeten, wurden von den schreibenden Hütern der Hochkultur als Nonkonformisten beargwöhnt, denen man keine Publicity gönnte. Das lag aber auch an Erich Peters bescheidenem Wesen, an seiner ganz und gar uneitlen Art. Ihm wäre eine Erwähnung in der Zeitung wohl eher peinlich gewesen.
London by night
Europäischer Jazz in den frühen 1950er-Jahren war amerikanischer Jazz, gespielt von Europäern. Aus heutiger Perspektive mag es deshalb verwundern, dass damals praktisch keine kontinentaleuropäischen Jazzmusiker ihr Glück in den USA versuchten. In jenen ersten Nachkriegsjahren aber war gesellschaftliche Gemütsverfassung eine andere. Mobilität oder Globalisierung waren noch lange keine Selbstverständlichkeit. Amerika wirkte eine Nummer zu gross, die Distanz dorthin schien fast unüberwindbar.
Erich Peter hatte im Frühjahr 1954 seine KV-Lehre abgeschlossen und war gewillt, eine Laufbahn als Jazzmusiker einzuschlagen. Dass er nicht New York, sondern London zu seiner ersten Station auf diesem Weg machte, war wohl eine Art Kompromiss. Immerhin konnte er dort die englische Sprache und damit die des Jazz perfektionieren. Fest steht, dass er schon bald in der englischen Szene Fuss fasste.
Just in den Jahren, in denen sich Peter in England aufhielt, erlebte dort der traditionelle Jazz einen nie geahnten Boom. Man sprach vom Dixieland-Revival, und sein Zentrum war der „Humphrey Lyttleton Club“, der spätere „100 Club“ Vor allem an Samstagabenden war das Lokal auch ein beliebter Treffpunkt für Schweizer Au-pair Girls und ihre Altersgenossen und Landsleute, die in London einen Sprachkurs absolvierten. Erich Peters Szene allerdings war dies nicht.
Früh schon hatte er herausgefunden, dass es auch Londoner Musiker gab, die sich dem moderneren Jazz verschrieben hatten. In der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre hatten sie sich jeweils von Bordkapellen jener Passagierschiffe anheueren lassen, die nach New York fuhren, in die Hauptstadt des entstehenden Bebop. Eine Nacht lang hatten sie dann Zeit, die Clubs an der legendären 52nd Street abzuklappern, denn schon am nächsten Tag ging es wieder zurück nach England. Viele britische Bebop-Musiker der ersten Stunde hatte auf diese Weise nicht nur den neuen Jazz kennengelernt, sie freundeten sich auch mit seinen Exponenten an. In einigen Fällen ging das so weit, dass sie auch deren schlechteste Gewohnheit annahmen, den Konsum harter Drogen.
Insgesamt war es eine Ansammlung höchst origineller Typen, die den Londoner Bebop-Zirkel bildeten. Der Schlagzeuger Phil Seamen gehörte dazu. Andere, vor allem auch musikalische Originale dieser Community waren der Altsaxophonist Joe Harriott, der Pianist und Vibraphonist Victor Feldman und der Tenorsaxophonist Kenny Graham.
Die meisten Musiker dieser Londoner Bebop-Gilde hatten eine feste Anstellung bei einem der zahlreichen grossen Tanzorchester, die es im Land der Ballrooms und der Standardtänze noch immer gab. Wenn sie nachts ihre kommerzielle Arbeit abgeschlossen hatten, trafen sie sich – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – in privaten oder halbprivaten kleinen Westend-Clubs, um bis in die frühen Morgenstunden hinein zu jammen. Das waren Orte, die Erich Peter mit schlafwandlerischer Sicherheit angesteuert hatte und an denen er schon bald als einer der gefragtesten Bassisten aktiv ins musikalische Geschehen eingriff.
Dass Erich Peter als einziger Nicht-Brite mittun durfte, war für ihn natürlich eine grosse Ehre. Alle Mitglieder wurden in eine elegante Banduniform gesteckt und nahmen ihre Plätze hinter modern gestylten Notenpulten ein. Die endlose Tournee durch die bekanntesten Tanzsäle in ganz Grossbritannien konnte beginnen. Erstmals war Erich Peter nun tage- und nächtelang mit gleichgesinnten Berufsmusikern zusammen.
Wenn das Ronnie Scott Orchestra zwischenhinein in London Station machte, konnte Erich Peter an den Nachmittagen auch in Kleinformationen proben und an spielfreien Abenden mit ihnen in kleinen Clubs auftreten. Im Herbst 1955 erlebte er dann seine Premiere als Studiomusiker. Innerhalb eines Monats nahm er gleich an drei Schallplattensessions teil: Kenny Graham’s Afro-Cubists, Victor Feldman’s Modern Jazz Quartet und Ronnie Scott Orchestra. Erich Peter überzeugte bei diesen Aufnahmen mit ungemein swingenden Begleitlinien.
Im Februar entschloss sich Ronnie Scott, das Orchester aufzulösen. Für den jungen Musiker Erich Peter war damit der Moment gekommen, England zu verlassen und in die Schweiz zurückzukehren.
Nach fast zweijähriger Abwesenheit kam der Bassist in Aarau an und führte in seinem Gepäck eine ganze Anzahl brandneuer amerikanischer LPs mit, die er vor seiner Abreise in London gekauft hatte.
Der neue Stil, der später Hardbop genannt wurde, war bislang in der Schweiz noch nicht angekommen. Erich Peter - das bestätigen verschiedene Musiker der damaligen Schweizer Amateur Szene – war der Erste, der seine Kollegen hierzulande auf diesen neuen, schwarzen, bluesgefärbten Jazz aufmerksam machte.
Erich Peter hatte in seinem Gepäck noch ganz anderes mit nach Hause genommen. Auf den Tourneen mit dem Ronnie Scott Orchestra hatte er offenbar Aufputsch- und Beruhigungsmittel aller Art kennengelernt, die sein Funktionieren im Profi-Business vermeintlich erleichterten. Von jetzt an und bis ganz zum Schluss seines Lebens sollten solche Drogen seine teuflischen Begleiter bleiben. Auch wenn er nie zur Spritze gegriffen hat: Zu seinem Dasein gehörte fortan eine dunkle Komponente.
Dabei darf nicht vergessen werden: Erich Peter war und blieb eine Seele von einem Menschen. Nie redete er schlecht über andere. Dass seine Drogenabhängigkeit von der Umgebung kaum bemerkt wurde, hängt aber auch mit seiner äusseren Erscheinung zusammen. Der kaum 1.70 Meter grosse Mann wirkte unauffällig, war stets tadellos gekleidet und wäre problemlos als Bürolist durchgegangen.
Der Basler Saxofonist und Bandleader Mac Strittmatter suchte für sein bekanntes Tanzorchester einen Bassisten, Erich bewarb sich um die Stelle und bekam sie auch prompt. Die Band galt als „schwärzestes“ Grossorchester der Schweiz, war stilistisch allerdings noch ganz der Swing-Tradition verpflichtet. Erich Peters Chef konnte sich denn auch nie so richtig für seinen neuen Bassisten erwärmen, der seinerseits mit der Musik des Orchesters wenig anzufangen wusste. Immerhin lernte er auf der Tour durch die verschiedenen Schweizer Dancings einen Gesinnungsgenossen kennen, der für einige Jahre ein enger musikalischer Mitstreiter wurde: den Schlagzeuger Pierre Favre.
Mitte September 1956 trat er wieder einmal am Zürcher Amateur-Festival auf, als Profi, der er jetzt war, allerdings ausser Konkurrenz. Professionell war auch die Besetzung des Umberto-Arlati-Quartetts mit George Gruntz am Klavier und Daniel Humair am Schlagzeug. Am 21. Juni 1957 war Peter mit von der Partie, als ein Sextett mit Umberto Arlati, Gaston Pugin, Bruno Spoerri, George Gruntz und Fritz Stähli im Radiostudio Basel fünf Stücke – noch ganz in Westcoast-Manier – aufnahm.
Am Zürcher Festival im Herbst 1957 schliesslich war er der Duo-Partner von George Gruntz. Am Schlusskonzert mit Rangverlesen im Radiostudio Zürich gehörte Erich Peter zu den geladenen Musikern, die das Rahmenprogramm bestritten. Er trat einerseits als Mitglied des George-Gruntz-Trios mit Fritz Stähli, andererseits als Begleitbassist der Pianistin Elsie Bianchi auf. Danach stieg er für eine Nummer beim Francis Notz Septet als Gast ein.
Als Jazznomade in Europa
In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahe gab es in der Schweiz etwelche Musiker und Formationen, die die damals aktuellen Jazzidiome beherrschten, Bebop oder Hardbop, Cool- oder Westcoast-Jazz. Von ihrer Musik leben konnten sie aber nicht. Wer eine professionelle Laufbahn als Jazzmusiker einschlagen wollte, der hatte keine Wahl: Er musste ein Leben aus dem Koffer mit vielen Reisen im Ausland in Kauf nehmen.
Die einschlägigen Jazzclubs, die es in vielen grösseren Städten Europas gab, orientierten sich am Vorbild Paris, wo im Quartier Latin mit seinen Existenzialisten-Lokalen das romantische, von Zigarettenrauch vernebelte Bild einer neuen Jazzkultur geprägt worden war.
Ein Schweizer Berufsmusiker, der dieses Leben bereits aus dem Effeff kannte, war der Zürcher Posaunist und Vibrafonist Kurt Weil, der 1957 nach zweijähriger Jazzarbeit in Schweden in die Schweiz zurückkam und eine eigene Formation, die Kurt Weil Band, auf die Beine stellte. Neben Leuten wie Peter Jacques, Daniel Humair und Raymond Court engagierte er auch Erich Peter, der sofort aus dem Strittmatter-Orchester austrat. Nach der Premiere im Basler „Odeon“ ging die Weil-Band mit dem VW-Bus auf Reisen ins benachbarte Ausland. Ein- und zweimonatige Verpflichtungen führten das Ensemble zuerst in den amerikanischen Soldatenclub der Rhein-Main-Airbase nach Frankfurt. Dann ging es weiter in die französische Stadt Châteauroux, anschliessend nach Mannheim und Berlin und schliesslich an die Weltausstellung in Brüssel, die ihre Pforten von Mitte April bis Mitte Oktober 1958 geöffnet hatte. Kurt Weils Band trat dort in einem Ausstellungspavillon täglich als Live-Orchester bei einem Farbfernseh-Versuch der Firma RCA auf und spielte abends im Jazzclub „La rose noire“ in der Innenstadt. Nach diesem halbjährigen Engagement gab es für Erich Peter noch zwei einmonatige Gastspiele zuerst im Pariser „Chat qui pêche“ und dann in Den Haag. Dann verliess er zusammen mit Daniel Humair und Raymond Court das Weil-Orchester und schlug sich fortan als Freelancer durch.
In der Zwischenzeit war sein Kollege, der Basler George Gruntz, als Mitglied der Newport International Band mit führenden europäischen Jazzmusikern in den USA aufgetreten und war seither der bevorzugte Partner jener amerikanischen Stars, die als Einzelattraktionen Europa bereisten oder hier Wohnsitz genommen hatten. „In dieser Zeit“, schreibt Gruntz darüber in seiner Autobiografie, „stieg der Schlagzeuger Pierre Favre aus seinem Job bei ‚Radio Basel‘ aus und wollte wieder richtigen Jazz spielen. Wir spielten 1959/60 als Trio (mit Erich Peter am Bass) am kurzzeitig weltberühmten Festival im belgischen Comblain-la-Tour, wo wir auch spontan Musiker aus der ganzen Welt begleiteten: den amerikanischen Saxofonisten Dexter Gordon etwa oder den jugoslawischen Trompeter Dusko Goykovich und vor allem Chet Baker, den wir dann gleich auch zu Konzerten in die Schweiz einluden.“
Mitte Februar ging Erich Peter in Mailand zusammen mit Gruntz ins Studio, als Aufnahmen des Tessiner Saxofonisten Flavio Ambrosetti und des italienischen Gitarristen Franco Cerri realisiert wurden. Nach einem Auftritt am kleinen Luganeser Jazzfestival reisten dann die Flavio Ambrosetti All Stars ans grosse Jazzfestival in Sanremo, das in jenen Jahren als Schaufenster des modernen Jazz galt, daneben aber auch topaktuelle amerikanische Gruppern präsentierte. Aus England war Erich Peters alter Kumpel Joe Harriott angereist. Die deutsche Jazzszene wurde vertreten durch das Albert-Mangelsdorf-Septett, und in der französischen Gruppe des Tenorsaxofonisten Barney Wilsen wirkte auch der schwedische Baritonsaxofonist Lars Gullin mit. Weitere Teilnehmer waren die Einheimischen Franco Cerri (Gitarre) und Gianni Basso (Tenorsaxofon), der Trompeter Dusko Goykovich, das französische Raymond-Fol-Trio und der blinde spanische Pianist Tete Montoliu. Mit vielen Musikern aus diesen Formationen spielte Erich Peter dann auch an den offiziellen Festival-Jamsessions zusammen, sodass der Anlass für ihn einen ersten Karrierehöhepunkt markierte. Jetzt hatte er sich definitiv in die europäischen Jazz-Phalanx eingereiht. Und dann konnte er erst noch zwei amerikanische Gruppen live kennenlernen, die seinen bevorzugten Jazz produzierten: das Horace-Silver-Quintett und das pianolose Trio des Tenorsaxofonisten Sonny Rollins mit Henry Grimes am Bass und Pete LaRoca am Schlagzeug.
Den ganzen März 1959 verbrachte Erich Peter im Pariser „Chat qui pêche“ im Trio des Vibrafonisten Michel Hausser, das durch den Schlagzeuger Daniel Humair komplettiert wurde. Anschliessend gab es ein Gastspiel in einem anderen bekannten Pariser Club, dem „Caméleon“, wo Peter zusammen mit dem Tenorsaxofonisten Bib Monville, dem Pianisten Christian Chevalier und wiederum Daniel Humair auftrat.
Nach Radioaufnahmen mit den Flavio Ambrosetti All Stars, ergänzt durch Barney Wilsen und Lars Gullin, Ende Juni 1959 in Lugano, muss Erich Peter für längere Zeit in Paris und anderswo im Trio der beiden Bebop-Innovatoren Bud Powell und Kenny Clarke, den zwei prominentesten „Americans in Europe“ gespielt haben. Schriftliche Zeugnisse zu dieser Auskunft von Musikerkollegen waren – von einem späteren PR-Text abgesehen - zwar keine zu finden, die Tatsache, dass der Aarauer Bassist zweimal an Pariser Aufnahmen unter Powells Namen beteiligt waren, scheinen die Aussagen aber zu bestätigen. Im November 1959 spielte ein Weltklasse-Quintett mit Clark Terry (Trompete), Barney Wilen (Tenorsaxofon), Bud Powell (Klavier), Erich Peter (Bass) und Daniel Humair (Schlagzeug) anlässlich einer Fernsehsendung vier Hardbop- oder Bebop-Themen ein. Sieben Monate später war Erich Peter bei einer Aufnahmesitzung dabei, von der später der Standard „How High The Moon“ auf Platten veröffentlicht wurde. Mit Bud Powell, dem Trompeter Dizzy Gillespie und dem Schlagzeuger Kenny Clarke waren drei der wichtigsten Erneuerer der Jazzgeschichte mit von der Partie. Mit Barney Wilen kam einer der grössten europäischen Jazzmusiker dazu.
Zwei amerikanische Jazzmusiker, die in Rom Komposition studierten, hatten Erich Perter und Pierre Favre durch Nunzio Rotondos Radiosendung kennengelernt. Der eine war Bill Smith, der im Dave Brubeck Octet bekannt geworden war, der andere der Pianist John Eaton. Am 12. Januar 1962 entstand die heute als Rarität gesuchte LP „Bill Smith: The American Jazz Ensemble in Rom“. Als „American Jazz Ensemble“ ging die Gruppe auf eine Konzert-Tournee durch italienische Grossstädte. Nach etwa zwei Monaten war aber auch diese Band Geschichte.
Pierre Favre konnte im Jazzclub „Tarantel“ in München ein Engagement mit einer Jazzgruppe wahrnehmen, die noch einen Bassisten brauchte. Weitere Mitglieder dieser Crew waren der Pianist Joe Haider, der Trompeter Manfred Schoof und der Posaunist Hermann Brauer. Erich Peter merkte rasch, dass eine attraktive junge Frau jeden Abend im Lokal sass und offenbar mehr als nur ein Auge auf ihn geworfen hatte. Ingeborg Reeb, genannt Inge, und Erich Peter sollten ab jetzt und für viele Jahre ihren Weg zusammen gehen.
Ein anderer Besucher war der Altsaxofonist Fritz Münzer aus Mannheim. Er trug sich mit dem Gedanken, ein eigenes Hardbop-Quintett zu gründen mit Hartwig Bartz, Joe Haider, Manfred Schoof und Erich Peter. Die Gruppe konnte in diesem Frühjahr 1962 einen Monat lang im Stuttgarter „Atlantic Jazz Club“ auftreten und erhielt zudem ein Engagement für die Fernsehserie „Jazz für junge Leute“ des Hessischen Rundfunks. Inzwischen hatte in Deutschland der King Rock‘n’Roll die Herrschaft übernommen, und in Hamburg wurden bereits die ersten Pilzköpfe gesichtet. Fritz Münzer löste die vielversprechende Formation nach lediglich vier Wochen wieder auf.
Da erreichte Erich Peter ein Anruf aus Spanien gerade zur rechten Zeit. Der katalanische Pianist Tete Montoliu fragte Peter an, ob er Lust habe, in seinem Trio zu spielen. Der spanische Miquel Jurado schreibt dazu in seiner Montoliu-Biografie: „Tete erinnerte sich an einen Bassisten, den er am Jazzfestival in Sanremo getroffen hatte: Eric Peter. Eric war zu jenem Zeitpunkt nicht beschäftigt und bereit, nach Barcelona umzuziehen.“ Doch bevor die Fahrt beginnen konnte, hatte er noch an Joe Haiders Seite ein Engagement im Basler „Atlantis“ zu erfüllen.
Katalonische Nächte
Für Barcelona-Touristen und einheimische Flaneure ist die Plaça Reial einer der beliebtesten Aufenthaltsorte in der katalanischen Metropole. Die wenigsten unter ihnen wissen, das sich in der Südwestecke der Eingang zu einer der traditionsreichsten Jazzstätten Europas befindet. Der „Jamboree Jazz and Dance Club“, der ursprünglich „Jamboree Jazz Cava“ hiess, wurde im Jahr 1959 eröffnet. An diesem Ort – muss man sich vorstellen – hat Erich Peter weit über tausend Mal Nachtschicht geschoben. Hier begleitete er unter anderem auch Dexter Gordon, der in Erinnerung an seine dortigen Aufrtritte ein Stück namens „Catalonian Nights“ komponiert hat.
Der „Jamboree Jazz and Dance Club war sozusagen die Heimstätte Tete Montolius, eines der wichtigsten europäischen Jazzpianisten seiner Zeit. Der 1933 geborene und 1997 verstorbene Musiker war von Geburt an blind und sagte von sich selbst, er sei mit dem Klavier aufgewachsen wie andere mit dem Fussball. In seinem hochvirtuosen Spiel amalgierte Montoliu Einflüsse, die von Art Tatum über Bud Powell bis zu Bill Evans reichten, zu einem melodiösen Personalstil. Seine üppig ausufernden Improvisationen waren voller harmonischer und rhythmischer Überraschungen. Als Begleiter konnte sich Montoliu aber auch ganz einfach zurückhaltend und gruppendienlich ausdrücken, weshalb er von allen grossen Bläsern, mit denen er im Lauf der Zeit zusammenarbeitete, ausserordentlich geschätzt wurde. Für Tete Montoliu seinerseits war Erich Peter mit seinem aussergewöhnlichen Time-Feeling und der Geschmackssicherheit in der Wahl der Töne einer der Traumbassisten, der seinem opulenten Stil eine sichere Verankerung garantierte. Ausserordentlich berührend war jeweils auch anzusehen, wie der grosse und leicht korpulente Pianist mit der schwarzen Sonnenbrille vom viel kleineren Bassisten am Arm auf die Bühne geführt wurde. Dann rückte Erich seinem Chef den Klavierstuhl zurecht, half dem Pianisten behutsam auf seinen Platz und legte ihm ganz diskret die eine Hand auf die Tastatur.
Ein Jahr lang bildeten Tete Montoiu und Erich Peter zusammen mit dem aus Deutschland stammenden Schlagzeuger Peer Wyboris die Hauptrhythmusgruppe der „Jamboree Jazz Cava“ und begleiteten die verschiedensten amerikanische Solisten. Beruflich schien Erich Peter also das grosse Los gezogen zu haben, und auch privat entwickelten sich die Dinge zu seiner vollen Zufriedenheit. Zusammen mit seiner Freundin Inge hatte er in einem Aussendistrikt der Grossstadt eine Wohnung gefunden. Während eines Heimaturlaubs am 23. August 1967 heiratete er seine Partnerin auf dem Standesamt in Aarau.
Bereits im Sommer 1963 wurde das Glück allerdings ein wenig getrübt. Tete Montoliu zögerte nicht lange, als ihm in Kopenhagen ein Engagement im Jazzclub „Montmartre“ angeboten wurde. Erich Peter, der in Barcelona zurückblieb, arbeitete weiterhin in der „Jamboree Jazz Cava“. Tete Montolius Stelle am Klavier übernahm ein gewisser Paul Grassl, der aus München stammte. Mit Wyboris zusammen begleiteten sie gerade den Swingtrompeter Bill Coleman, als Tete Montoliu im Herbst 1964 nach Spanien zurückkehrte und sofort wieder sein Trio mit Peter und Wyboris reaktivierte. Nun ging es für mehrere Monate nach Madrid in das dortige einschlägige Lokal mit dem bezeichnenden Namen „Whisky Jazz Club“. Zuerst lieferten die drei die Begleitung für die beiden Tenorsaxofonisten Dexter Gordon und Pedro Iturralde, der in Erich Peters Laufbahn noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Danach war die Sängerin Donna Hightower die Frontfrau vor dem Tete-Montoliu-Trio.
Ende März 1965 verliess Erich Peter Madrid, weil er ein Angebot für ein mehrere Monate dauerndes Engagement – wiederum in der „Jamboree Jazz Cava“ - erhalten hatte. Zusammen mit Paul Grassl sollte er ein Quintett komplettieren, dessen Frontlinie zwei amerikanische Saxofonisten bildeten: Der Texas-Tenorist Booker Ervin und der Altsaxofonist und –sänger Pony Poindexter aus New Orleans.
Als Tete Montogliu nach Barcelona zurückkehrte, verliess Grassl das Quintett. Seit dem 1. Mai wechselte sich die Gruppe jeweils mit dem Lou-Bennett-Trio (Lou Bennett, Orgel, René Thomas, Gitarre, Billy Brooks, Schlagzeug) ab. Der brillante Tete empfand von Anfang an zu Billy Brooks eine starke musikalische Affinität.
Anfang August 1965 fuhren Bennett und Thomas nach Paris zurück. Billy Brooks blieb in Barcelona zurück und bildete zusammen mit Erich Peter das neue Tete Montoliu-Trio, das nun im „Jamboree Jazz Cava“ Pony Poindexter und Booker Ervin begleitete.
Tete Montolius eigene Meinung zu seinem eigenem Trio wird in dessen Biografie folgendermassen wiedergegeben: „Das war in meinem Leben eines der grossartigsten Trios, mit dem sich wunderbare Erinnerungen verknüpfen. Zwischen 1965 und 1967 gastierten im „Jamboree“ die besten Solisten, die man in Europa hören konnte (u.a. Lee Konitz, Altsaxofon).“
Späte Heimkehr
Erich Peters musikalische Laufbahn hatte in den frühen 1950er Jahren begonnen, zu einer Zeit, als es so etwas wie eine institutionalisierte Jazzausbildung in Europa noch nirgends gab. Als er 1977 an die Swiss Jazz School nach Bern kam, gliederte sich diese schweizerische Pioniersschule bereits in eine allgemeine Abteilung und in eine Berufsschule. Im gleichen Jahr wurde das Abschlussdiplom vom Berner Regierungsrat anerkannt, womit die Ausbildungsstätte einem Konservatorium gleichgestellt war.
Als Lehrer war Erich Peter eine anachronistische Erscheinung. Der typische Autodidakt, der sich seine Fähigkeiten als Musiker zuerst über Schallplatten, dann in unzähligen Sessions angeeignet hatte, kannte keine kommunale Musikschule, geschweige denn ein Konservatorium von innen. Der Bauchmusiker wusste praktisch nichts von Musiktheorie, war ein ausgesprochen schlechter Blattleser und verfügte über keinerlei pädagogisch-didaktische Erfahrung. Und doch sollte er nun im Schulzimmer angehende Jazzmusiker ausbilden. Schon in den ersten Stunden zeigte sich, dass er auch kein Unterrichtskonzept hatte, dass er offenbar zu seinem Lehrerposten gekommen war wie eine Jungfrau zum Kind.
Einige seiner Schüler versuchten, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie baten ihn, ihnen vorzuspielen, schauten ihm genau auf die Finger, spielten dann im Duo mit ihm, mal als Begleiter, mal als Solist. Sie fragten ihn aus über berühmte Musiker, mit denen er zusammengearbeitet hatte, über seine Saiten-, Tonabnehmer- und Verstärkerwahl, über Bühnensituationen. Auf diese Wese profitieren sie enorm.
(Bruno Rub, „Der Teamplayer Erich Peter“, hier + jetzt, 2007)
In Memoriam Eric Peter
Der Tod von Eric Peter ist ein grosser Verlust für die Hardbop-Schule der Jazzmusik. Auf seinem Instrument, dem Kontrabass, war er einer der letzten wahren Vertreter dieser Kunst - überall auf der Welt. Der Schock über seinen plötzlichen Tod lässt nur langsam nach, aber die Realität hat schon Fuss gefasst. Die Realität besteht aus einer Lücke, die nicht so schnell, wenn überhaupt, wieder geschlossen werden kann.
Es war bekannt, dass Eric während seinen letzten Lebensjahren unter einem progressiv entkräftenden Gesundheitszustand zu leiden hatte, bis dem Masse, dass er am Schluss nicht mehr in der Lage war, die physischen Ansprüche eines Auftritts zu erfüllen. Dies betrübte Eric ebenso wie uns, die ihn liebten und schätzten. Deshalb, aus Fairness Eric Peter und uns selbst gegenüber, auch mit dem Blick auf unsere eigene eventuelle Infirmität, wollen wir uns an Eric erinnern, so wie wir ihn kannten, als er im Vollbesitz seiner Fähigkeiten war.
Die Essenz von Eric Peters Spiel kann am besten mit einem Wort beschrieben werden: Takt. Eric hatte ein tadelloses Taktgefühl, das es ihm ermöglichte, jedes Tempo mit dem richtigen Feeling zu spielen, von blitzschnellen Uptempi bis zu den langsamsten Balladen. Doch Erics Taktgefühl war vor allem instinktiv, ein Vorzug, der einen Musiker kontinuierlich Gewahr werden lässt, welche Richtung die Musik einschlägt, zu jeder Zeit, und ihn mit dem Ablauf der Ereignisse gehen lässt. Vielleicht kann dieses Gefühl mit dem Instinkt, der die Vogel- oder Fischschwärme steuert, die ihre plötzlichen Kurven fliegen oder schwimmen, verglichen werden. Wer diese Eigenschaft besitzt, ist imstande, eine Einheit zwischen seinem eigenen Musizieren und der Selbstentfaltung in der Musik zu erreichen. Das Ergebnis ist ein eigenes Konzept, das, wenn oberflächlich analysiert, zu 90 % der Zeit im Widerspruch zu den normalen Spielmustern zu sein scheint. Bei einem Bassisten zeigt sich dies vor allem in der Notenwahl in den Basslinien. Tatsache ist, dass diese scheinbare Anomalie in einer sehr fundierten harmonisch-rhythmischen Logik verankert ist, die ein einzigartiges Zwischenspiel der Spannung und Auflösung ergibt. Paul Chambers besass diesen Instinkt ebenso wie Israel Crosby. Eric Peter besass ihn auch. Deshalb ist es nicht verwunderlich, das Eric in seiner Grundannäherung sehr stark Paul Chambers glich, aber mit einem künstlerischen Können, das an Israel Crosby erinnerte. Es besteht aber kein Zweifel: Eric Peter war sein eigener Mann. Er fühlt einfach, was sie fühlten, und diese Männer erweckten eine Verwandtschaft in ihm.
Eric war nicht ein Darsteller im Sinn des Showbusiness, nicht der Typ, der seinen Verstärker zu laut aufdreht, um sich hervorzuheben und nur auf sein Solo wartet, um das Zeugs vorzutragen, das er zuhause geübt hat. Eric war ein Team-Spieler. Er kam zu einem Gig, um die Musik zu spielen; und zwar die Musik, die aus den Bemühungen seiner Kollegen und ihm selber ausströmen würde und er gab immer sein bestes. Er ging davon aus - und mit gutem Grund, dass das Publikum hauptsächlich in ein Konzert ging, um die Musik zu hören, die sie erwarteten, und nicht, um die Musiker auf der Bühne ihre Possenspiele und Mätzchen vorführen zu sehen. Er war so bescheiden, dass er - soweit ich mich erinnere - nie verlangte, ein Bass-Feature zu spielen, eine Neuerung, die viele Bassisten benutzen, um sich zu profilieren. Er widerspiegelte einfach das Niveau einer gemeinsamen Inspiration der Musiker und nahm daran teil. Er war nie aufdrängend aber immer unterstützend. Meines Wissens benahm er sich nie exzentrisch oder befremdend. Er wirkte eher gesetzt und wenn man ihn auf der Strasse traf, hätte man ihn für den Filialleiter eines Warenhauses halten können.
Das war das Äussere. Aber das Innere? In seinem Innern war Eric der Ur-Surfer, der Fallschirmspringer und der Pilot, alles in einem. Er war jemand, der auf seinem Höhepunkt nie eine Welle, eine Kurve verpasste. Ich habe ihn einmal mit dieser Einschätzung konfrontiert: seine Augen leuchteten auf - ich wusste, dass ich damit ins Schwarze getroffen hatte. Denn Eric spielte mit einer freudigen Hingabe, während er gleichzeitig eine stützende Säule verblieb; das ist die Aufgabe eines Rhythmusgruppen-Spielers. Er wusste ganz genau, dass die Tür zur Entstehung der Musik ein Stück weit auch durch seine Leistung geöffnet werden würde.
Ich kann ruhig sagen, dass ich einige meiner kreativsten Auftritte mit Eric Peter zusammen hatte. Dies verdanke ich zu einem grossen Teil ihm und seinem selbstlosen, swingenden Mitspiel und ich werde immer dafür dankbar sein, die Gelegenheit gehabt zu haben, mit ihm zusammen auf der Bühne gewesen zu sein.
Im Namen aller, die Eric liebten, möchten wir hier all jenen unseren Dank aussprechen, die ihm während seiner Krankheit unterstützten. Und zum Schluss möchte ich alle Musiker und Fans bitten, sich seine Plattenaufnahmen anzuhören, sogar mehrere Male.
(Vince Benedetti, Nachruf der Jazzschule Luzern (Hochschule Luzern Musik, Abteilung Jazz)
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Das Buch „Der Teamplayer Erich Peter“ (hier + jetzt, 2007) ist in unserem Shop erhältlich.
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Zusammengestellt von Thomas Schärer