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Rosetta - Fred Böhler Septett mit Glyn Paque, arr. Hazy Osterwald, aufgenommen am 5. November 1940 in Zürich

I Found a New Baby - Fred Böhler Quartett mit Glyn Paque, aufgenommen am 26. Mai 1944 in Zürich

Piano Medley - Fred Böhler Trio, ca. 1943/44 im Bellevue-Palace, Bern (Live-Aufnahme)

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Fred Böhler und George Gruntz an der Eröffnung des Jazzmuseums Arlesheim am 19. Sept. 1992

Fred Böhler, * Zürich, 26.07.1912 als Fritz Walter Böhler, † Zumikon, 10.01.1995

Archivdaten von Fred Böhler >>>

Klavier, Hammond, Wurlitzer

Auszüge aus Fred Böhlers „Schweizer Jazzpionier: Sein Leben, seine Musik“ (inkl. Passagen aus der ungekürzten Originalfassung). Wer die ganze Geschichte lesen möchte, kann diese Broschüre in unserem Shop erwerben.

Die Buben- und Jünglingsjahre: Aus dem Talent Fritzli wird der Stift Fritz

„Geboren wurde ich am 26. Juli 1912 in Zürich-Aussersihl. Weil mein Vater Fritz hiess, musste ich auch Fritz heissen. Mein Vater war ein guter Pianist. Immer am Sonntagmorgen nahm er mich mit an das Promenadenkonzert auf dem Bürkliplatz. Wenn das Konzert fertig war, gingen wir in die erstbeste Beiz. Mein Vater trank ein grosses Bier, und mir bestellte er einen Sirup mit Strohhalm. Dann gings nach Hause. Mutter hatte das Mittagessen gekocht; das war ziemlich sicher Braten mit Kartoffelstock und Erbsli dazu.

Ich hatte einen Freund, der mich in die Methodistenkirche mitnahm. Wir hatten es sehr schön dort. Es hatte junge Mädchen dort, mit denen wir Käse und Most genossen.

Etwas später, als ich dann in die Musikschule „Scharf“ gehen durfte, bemühte ich mich eifrig darum, selbst einen Einblick in die Musik zu gewinnen. Drei dicke Schwestern leiteten diese Schule; eine von ihnen war meine Klavierlehrerin. Ich spielte nach zwei Jahren schon Beethoven-Sonaten. Irgendwie hatte ich jedoch bald das Gefühl, dass etwas nicht stimmen konnte, dass das, was ich spielte, nicht richtig war. Ich erzählte es meinem Vater, es ging um die Fingersätze. „Vater, ich komme viel zu schnell vorwärts!“. Er beriet das mit meiner Mutter und sagte mir dann: „Für deine Musikstunden gehen wir ans Konservatorium mit dir.“

Meine Freude am Klavier hat übrigens eine Vorgeschichte: Bevor ich nämlich Unterricht an diesem Instrument erhielt, kam mein Vater eines Tages nach Hause und brachte mir eine Geige mit. So ein Holzsarg… Aber mit dem Geigenspielen lief alles schief. Bald sagte ich zu meinem Vater: „Also, Geige spielen will ich nicht!“

Als die Schulzeit zu Ende ging, verkündete ich daheim, dass ich Berufsmusiker werden wollte. Da stiess ich aber auf Widerstand. „Was, du willst zu den Zigeunern? So ein Hungerleideberuf!“

Als eines Tages in der Zeitung ein Inserat stand, in welchem ein Seiden-Dessinateur-Lehrling gesucht wurde, besuchten meine Mutter und ich das Atelier der inserierenden Firma Käser. Der Patron, Fritz Käser, war ein ganz toller Mann. Er hat mich direkt angeredet: „So, Fritzli, du möchtest bei uns arbeiten?“ Die Lehre dauerte von 1927 bis 1931.

Lehrer und Lerner: Erste Schritte ins Reich des Jazz

Etwa 1928 erweiterte ich mein erstes, drei Jahre zuvor selbst gebasteltes Radio und hatte nun die Möglichkeit, London zu empfangen. Von da an hörte ich nur noch London. Da spielten die berühmten englischen Orchester von Carroll Gibbons, Harry Roy und Roy Fox.

Schon früh kaufte ich mein erstes Grammophon, ein mechanisch angetriebenes Reisemodell in einem schönen Koffer. Zum Erwerb reizte mich das Angebot, dass dem Käufer zehn Jazzplatten geschenkt wurden! Was Jazz bedeutete, wusste ich von Ernest R. Berner, der an der Uraniastrasse das „Jazzhouse“, einen Musikladen, eröffnet hatte. Unter den ersten zehn Platten, die ich gratis zum Grammophon erhielt, war die erste von Fats Waller dabei. Das Stück war „Cabin in the Sky“. Als ich es hörte, war ich begeistert.

Am Konservatorium: Vorliebe für Mozart und Kreisler

Nach Abschluss der Zeichnerlehre trat ich nun ins Konservatorium ein. Am liebsten spielte ich Mozart und Beethoven. Für Chopin ging ich dann später zu Rosario Thusa.

Im letzten Ausbildungsjahr kam noch die Orgel als obligatorisches Fach dazu. In der St.-Peter-und-Paul-Kirche, hinter dem Tages-Anzeiger-Gebäude, durfte ich üben. Da gab mir der Vater immer zwei Franken, die ich dem Sigrist geben musste, aber manchmal schwänzte ich dann und ging dafür ins „Bauschänzli“ ein Zitronenwasser trinken. Coca-Cola gab es ja damals noch nicht.

Mit Walter Heinrich, einem Studienkollegen, hatte ich die ersten musikalischen Erfolge. Er studierte Geige, auch in Berlin und Budapest. Wir haben uns zusammengetan. Im Duo spielten wir die verschiedensten Violinkonzerte. Ich machte die komplette Begleitung am Klavier, anstelle des Orchesters. Die Konzerte von Fritz Kreisler sind etwas vom Schönsten, weil bei Kreisler das Klavier als absolut gleichwertiges Konzertinstrument gesetzt ist. Wir entwickelten uns zu wahren Kreisler-Spezialisten. Einmal hatten wir ein Engagement im „Palace Hotel“ in Vevey.

Musikalisches Zubrot: Als Pianist in Amateurorchestern

1929 gründete ich das Orchester der Zürcher Jazz Harmonisten. Unser Repertoire stammte zum Teil aus der Operetten-Schatztruhe. Einer der vom Jazz angehauchten ersten Operetten von Paul Abraham war „Die Blume von Hawaii“. Das waren die ersten Stücke, von denen man Arrangements kaufen konnte: für drei Saxophone, drei Blechblasinstrumente, eine Dreier-Rhythmusgruppe und vier Geigen. 1929 spielten wir zur Eröffnung des Limmatsaals erstmals öffentlich. Dabei hatten wir auch noch ein Banjo und ein Sousaphon. Das Ganze war also die etwas verkleinerte Besetzung einer der ersten grossen Big Bands, die es gab, nämlich jener von Paul Whiteman. Wir spielten unter anderem im Kammermusiksaal der Tonhalle und im alten Casino Zürichhorn.

1932 spielte ich bei Ted Weber. Er war ein sehr guter Saxophonist und Klarinettist. Am Schlagzeug sass Louis Wyss, Trompeter war Johnny Honegger. Von Ted Weber lernte ich, Arrangements zu schreiben.

Nach meiner Zeit bei Ted Weber trat ich dem Orchester von Johnny Grütter bei. Dort traf ich die ersten richtig guten Berufsmusiker, so unter anderem René Knapp am Saxophon, Geige und Klarinette, „Wurm“ Lindenmann an Trompete und Kontrabass. Grütter selbst sass am Schlagzeug. Wir spielten an schönen Orten, oft im Tessin, verschiedentlich in der „Taverna“ in Ascona und im „Cecil“ in Lugano.

1935 lernte ich, in der „Taverna“ in Ascona, Erich Maria Remarque kennen. Er hatte eine wunderschöne Villa am Lago Maggiore und trank Whisky. Remarque liess mir in der Pause vom Kellner einen Whisky bringen und prostete mir zu. Meine Vermutung, dass da irgendein Hintergedanke im Spiel war, bestätigte sich. Er erzählte mir, dass sein Steinway-Flügel bald in Porto Ronco ankomme. Er hatte ihn in Nazi-Deutschland zurücklassen müssen und nun über Paris in die Schweiz schmuggeln können. Er wünschte sich nun von mir die Nummer „There’s a small Hotel“ aus einem Film mit Fred Astaire, eine alte Broadway-Melodie. Nun fragte er, ob ich zu ihm kommen und diese Nummer, sein Lieblingslied, auf seinem Flügel spielen würde.

Eines Tages fuhren Baron von Emden, dem damals die Brissago-Inseln gehörten, Remarque und ich und etwa 12 nackte Mädchen mit von Emdens Yacht auf dem Lago Maggiore herum. Er hatte ein ganzes Fass Napoleon Cognac an Bord und dazu Platten voller Paprikaspeck. Manchmal fiel eine Schöne ins Wasser, und wir mussten sie wieder herausholen.

Auftakt zum Siegeszug des Jazz

Das Jahr 1936 brachte grosse Veränderungen. Ich hatte meine Ausbildung am Konservatorium abgeschlossen. Ich entschied mich, Berufsmusiker zu werden.

Im Sommer 1936 wandte ich mich, frech wie immer, an Direktor Schudel des „Corso“-Dancings. „Herr Schudel“, sagte ich zu ihm, „ich stelle auf den 1. September ein Orchester zusammen und brauche dafür ein Engagement.“

Unsere Startformation war ein Quintett, bestehend aus dem Trompeter „Wurm“ Lindenmann, dem belgischen Saxophonisten Omer de Cock, Schlagzeuger Dolf Zryd, den ich aus einer miesen Spelunke in Kleinbasel herausgelotst hatte, und Paul Guillaume, ein Hotjazzgeiger, der auch Akkordeon spielte. Nun stelle man sich vor, dass vor uns im „Corso“ nur Salon-Orchester gespielt hatten. Als wir aufspielten, da fühlten sich die Damen mit ihren breitrandigen Hüten und silbergrauen Zigarettenspitzen offensichtlich unangenehm berührt. Sie gingen zum Patron und reklamierten. Diese Damen amüsierten sich übrigens mit extra angestellten Berufstänzern, die – mit einem Kilo Brillantine im Haar – mit ihnen tanzen mussten, damit sie sich nicht langweilten.

Nach dem Corso spielten wir im Kursaal Bern und machten dann Winterstation in Engelberg, im Tea-Room Matter. Dieses Lokal war ein Geheimtipp in der Jazzwelt, denn Coleman Hawkins hatte dort in der Saison zuvor gespielt. Der Sohn, Hans Matter, war zu jener Zeit ein berühmter Skispringer.

Nach Engelberg spielten wir im Kurhaus Locarno und von dort ging’s nach Montreux. Immer in der gleichen Besetzung, ausser am Schlagzeug: Anstelle von Dolf Zryd kam Berry Peritz.

Hochblüte des Schweizer Jazz: Magere Kriegsjahre, aber fette Bigband-Zeiten

Im Winter vor der Landesausstellung spielten wir im Grand Hotel Adelboden. Da erhielt ich eines Abends ein Telegramm vom Leiter des „Cabaret Cornichon“, Dr. Weissert. „Herr Böhler, wir brauchen ein Orchester für die Landi. Wir machen ein Modetheater, getragen von den grossen Modehäusern der Schweiz.“ Unserer Aufgabe bestand darin, diese Moderevuen zu begleiten. Paul Burkhard, Tibor Kasicz, Werner Kruse und Paul Schoop schrieben die Musikrevuen.

Mitten in die sagenhaft besuchte Landesaustellung fiel der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Mein Modehaus-Orchester fiel von einem Tag auf den anderen auseinander, weil alle ausländischen Musiker in ihre Heimat zurückbeordert wurden. Die Landi wurde kurzfristig geschlossen. Am 4. September kam der Befehl von General Guisan, dass die Landi am 8. September wieder aufgehen solle. Ich musste also noch am 4. September ein Orchester finden, denn drei Tage brauchten wir um zu proben. Ich mietete einen grossen Cadillac mit acht Plätzen und fuhr damit in der ganzen Schweiz herum.

Später, im „Chikito“ in Bern, hatte ich dann auch das erste Mal dauernd eine Sängerin engagiert. Kitty Ramon sang früher mit dem holländischen Orchester „Chocolate Kiddies“.

Nun formierte ich meine Big Band. Wir waren teilweise noch das Orchester vom Modetheater, ausser dass ich für den ausscheidenden Mac Strittmatter, der wieder ins Militär musste, den schwarzen Musiker Glyn Paque für uns gewinnen konnte. Glyn Paque stammte aus den USA, spielte einige Jahre mit Bobby Martins Orchester in Europa. Gerade noch vor Kriegsausbruch kam er in die Schweiz, was einem Mädchen zu verdanken war.

Glyn blieb zwölf Jahre bei mir. Es gab einmal Reibereien mit dem Belgier Omer de Cock. Der war eifersüchtig, weil Paque in Gottes Namen besser spielte. Eines Tages kam Paque zu mir und sagte: „Entweder de Cock oder ich!“ Für mich war das schnell entschieden, denn Paque war mir wichtiger. Er brachte unserem Orchester den amerikanischen Touch bei.

1944 hatte ich mit achtzehn Mann und Kitty Ramon meine grösste Band, mit dem Geiger Antoine Franchi und dem Gitarristen Marcel Bianchi von Django Reinhardts „Hot Club de France“.

Als ich das erste Mal im „Chikito“ in Bern spielte, mit Kitty Ramon, Glyn Paque, Adi de Angelis, Clément Rütsche und Otto Horak, stand eines Abends ein schmächtiges Bürschlein vor der Garderobentür. Er heisse Osterwalder, und er sei begeistert von meiner „sauguten“ Musik. Ob er – seine Freunde nennen ihn Hazy – ein Arrangement für mich schreiben dürfe, fragte er.

In einem Jahr wollte ich eine Bigband aufbauen, und dazu konnte ich einen Trompeter gebrauchen. Hazy liess sich das nicht zweimal sagen. Sofort fing er an zu üben. In Lausanne fing er offiziell bei mir an.

Später entwickelte Hazy die Ambition, selber eine Band zu gründen. Ich unterstützte ihn dabei, und Kitty Ramon wechselte zu ihm. Er hatte dann einen sehr guten Schlagzeuger, Stuff Combe, den ich selber gerne gehabt hätte, doch er schnappte ihn mir vor der Nase weg.

Kontakte zu anderen Jazz-Koryphäen: Aus Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahren

Aus derselben Zeit, in der ich Remarque begegnete, stammt auch meine Freundschaft mit Coleman Hawkins. Berry Peritz stellte mich Hawkins vor, und er lud mich ein, ihn in einer Jam Session zu begleiten. Wir spielte die Nummer „When I take my Sugar to Tea“.

Es gab in diesen Jahren auch eine Frau, an die ich mich gerne erinnere: Yvonne McCarter. Sie sass Abend für Abend an einem Tischchen in Bühnennähe und trank ganz allein aus ihrer obligaten Whiskyflasche. Sie war unbeschreiblich reich. Ich habe nie eine Frau kennengelernt, die mehr über Jazz wusste als sie. Eines Abends spielte ich mit meinen Musikern ein eigenes Stück. Sie anerbot sich, Worte dafür zu schreiben. So entstand das Stück „Watching the Day fade away“.

Jahre nach dem Krieg traf ich Earl Hines anlässlich eines Konzerts in Basel. Am oberen Treppenrand glotzte uns mit weit aufgerissenem Rachen ein dreieinhalb Meter langer Alligator entgegen! Aber das war nicht die eigentliche Überraschung. Denn oben war Satchmos ganzes Orchester – samt dem Meister selber – mit Jack Teagarden, Earl Hines und Cozy Cole. Plötzlich sagte Earl Hines zu mir: „Come on, play with me!“

Das Erste Nachkriegsjahrzent: Abspecken zu Friedenszeiten

1945 baute ich mein Orchester auf etwa zwölf Mann ab. 1946 formierte ich eine neue Band mit zehn Mann und mit der Sängerin Monique Léman. Die damalige Formation war aufgeteilt in zwei Quintette, die sich gegenseitig herausforderten. Das Bläserquintett bestand aus Baritonsax, Tenorsax, Altsax, Trompete und Posaune. Im anderen Quintett spielten - à la „Hot Club de France“ – Athos Micheli, ein hervorragender Geiger, Maurice Rosenberg an der Gitarre, Clément Rütsche am Bass, Johnny Strub am Schlagzeug und ich am Klavier. Da fegten also die Bläser im fünfstimmigen Satz 16 Takte lang, und dann kamen Hotgeige und Gitarre dazu. Das swingte wie wahnsinnig!

1950 wechselte ich die Besetzung komplett, ausgenommen Clément Rütsche am Bass. Glyn Paque kam später noch einmal zu mir zurück.

Hofmeister, Deutschlands grösster Agent, liess mir über Chesini, den Agenten in Basel, mitteilen, dass er eine Sängerin für mich hätte. Chesini brachte also dieses ganz ausserordentlich charmante Mädchen zu mir, mit seinen dunklen Haaren, braunen Augen, wunderschönen Zähnen und einem sehr sympathischen Lächeln. Ich fragte sie, was sie am liebsten singe. „Am liebsten Swingnummern: Tea for two, Deep Purple und so.“ Sie hatte eine wunderschöne Stimme, und sie swingte. Sie sang perfekt französisch und portugiesisch und hatte ein Flair für lateinamerikanische Sachen. Ihr Name war Caterina Valente, damals noch unbekannt. Ihre Mutter war beim Zirkus, und sie hatte dort mitgewirkt.

Ich hätte sie gerne sofort engagiert, aber ich konnte Monique Léman nicht einfach entlassen. Immerhin konnte ich ihr etwas Starthilfe geben mit der Empfehlung an Kurt Edelhagen. Nach einiger Zeit erhielt sie eine Offerte nach New York in die Perry-Como-Show. Mit Bing Crosby zusammen feierte sie grosse Erfolge.

1950 waren wir auch in Holland, im „Extase“ in Amsterdam. Im selben Lokal gastierten die Peter Sisters, drei dunkelhäutige Schwestern, die alle unheimlich korpulent waren. Ihre Pianistin spielte sehr jazzig. „I can’t give you Anything but Love“ spielten sie wunderschön. Wir begleiteten die Peter Sisters am holländischen Radio.

Nach dem „Extase“ spielten wir in Hamburg, dann in Kopenhagen im „Tivoli“. Italien und Frankreich bereiste ich allein mit der Orgel.

1951 gründete ich eine Formation mit Streichern, Harfe und einer Rythmusgruppe. Wenn wir am Nachmittag im Zürcher „Baur au Lac“ zum Tee spielten, standen die Leute in dichten Reihen am Parkzaum und hörten uns zu. Bis zum Schiffssteg am Bürkliplatz hörte man uns. Wir spielten alle berühmten Melodien aus den Broadway-Musicals wie „My fair Lady“ und solche Sachen.

Der Bandleader mutiert zum Solisten: Maestro an der Orgel

Für das Haute-Couture-Haus Wigert in Zürich begleitete ich erstmals Modeschauen als Solist an der Hammond-Orgel. Das war im Kunsthaus Zürich. Ich stimmte meine Improvisationen ganz bewusst auf jedes Kleid ab. Von diesem Moment war das eine meiner Spezialitäten

Einen weiteren Existenzzweig fand ich im Vorprogramm von Kinofilmen. Ich spielte auf einer Drehbühne vor der Leinwand, bevor der Film begann. Einmal spuckte der Motor, die Bühne wurde immer schneller, und ich wurde samt der Orgel fast von der Bühne geschleudert.

Ich machte auch eine Kinotournee in Deutschland.

Von 1956 war ich jeden Sommer vom 1. Juli bis Ende September in Interlaken als Solist engagiert, unter der Leitung von verschiedenen Dirigenten. Da war zum Beispiel C. V. Mens, unheimlich dick war er und sehr beliebt. Nachmittags machten wir Wunschkonzert für die älteren Damen, die in der vordersten Reihe strickten. Jedes Jahr hatten wir eine Gala mit Josephine Baker. Alle grossen Vedetten aus Frankreich begleiteten wir: Edith Piaf, Yves Montand, Gilbert Bécaud. Auch italienische Stars wie Rita Pavone.

Josephine Baker war eine äusserst faszinierende Frau. Sie gab nur noch Gastspiele, um die Kosten für ihre Waisenkinder, die sie in einem Schloss aufzog, finanzieren zu können.

Gegen Rosita Serrano war Josephine Baker ein Engel. Die Serrano, die immer etwas zu meckern hatte, liess ich einmal mitten in einer Probe im „Corso“ stehen. Ich sagte zu ihr: „Frau Serrano, so geht es nicht. Wir machen jetzt eine Pause und treffen uns wieder in halben Stunde, wenn wir uns beruhigt haben.“

Zarah Leander begleitete ich solo in Süddeutschland und in der Schweiz. Wir gastierten im „Palace“ in St. Moritz und in Gstaad. Es war eine Tournee in etwa 20 Schweizer Städten, umfangmässig fast gleich wie jene mit Josephine Baker.

Auch die Filmmusik ist ein Teil meiner Solokarriere. Schon 1933 hatte ich als Amateurpianist Stummfilme begleitet.

Als im Film „Schmuggler der Bernina“ die Lawinen niederdonnerten, fand ich keine passende Musik. Ich überlegte lange, was ich bei dieser schönen Lawine vom Piz Palü spielen sollte. Also fing ich an, mit den Ellbogen auf der Tastatur herumzuhämmern, wobei das Pedal unten blieb. Nachher kam der Kinobesitzer: „Diese Lawine haben Sie aber sehr gut gemacht!“

Elektronik und Akustik: Kaufmann der gehobenen Klangwelt

Ein Vierteljahrhundert nach der denkwürdigen Landi von 1939 brachte mir die Expo 1964 in Lausanne mein letztes Engagement als Bandleader eines professionellen Sextetts. Dort fasste ich das erste Mal Fuss als Elektroakustiker und Elektroniker.

1965 eröffnete ich mein Geschäft in Küsnacht. Die Basis meines Geschäfts waren die Orgeln. Vor allem die Hammond. Finanzielles Hauptgeschäft war die Konstruktion von Verstärkeranlagen für Private. Für das „Palace“ konzipierte ich 1968 die erste Unterwassermusikanlage der Schweiz. Der Direktor hatte von einer Unterwasseranlage in Las Vegas gehört.

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Zusammengestellt von Thomas Schärer