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Between the Devil and the Deep Blue Sea, Ernst Höllerhagen Quartett, Zürich, 23.04.1943
Easy Mood (komponiert von Ernst Höllerhagen), Ernst Höllerhagen Quartett, Zürich, Anfang 1947
Ernst Höllerhagen (cl), Buddy Bertinat (p), Gene Favre (b), Polly Guggisberg (dr)

Sorrow, Coleman Hawkins and the Berry's, 30.04.1936 

Ernie, Hazy Osterwald Sextett, 1954

Swingin' at Chez Florence, Willie Lewis & his Negro Band, 19.06.1941

Hurry home, Teddy Stauffer & his Original Teddies, 1939

Perdido..., Flavio Ambrosetti, Milano, 11.10.1944
Flavio Ambrosetti (as), Hazy Osterwald (tp), Ernst Höllerhagen (cl), Toots Thielemann (g), Francis Cuppieters (p), Sonny Lang (b), Gil Cuppini (dr)

Mehr Musik vom Ernst Höllerhagen Quartett siehe:

Porträt Gene Favre >>>

Ernst „Ernie“ Höllerhagen, * Wuppertal, DE, 05.10.1912, † Interlaken, CH, 11.07.1956

Klarinette, Alt-, Tenor- Sopran- und Basssaxophon, Vibraphon, Violine

Archivdaten von Ernst Höllerhagen >>>

Mitglied bei: Ernst Höllerhagen Quartett, Teddy Stauffer and his Original Teddies, Eddie Brunner and his Original Teddies, Hazy Osterwald Sextett, Coleman Hawkins and the Berries, Sam Wooding, Jack Hylton etc.

Interlaken, Schweiz: An einem warmen Sommermorgen des 11. Juli 1956 setzt der Jazzmusiker, Entertainer und Bandleader Hazy Osterwald eine Probe an. Eine neue Eigenkomposition soll einstudiert werden. Fünf Musiker des Sextetts sind versammelt. Einer fehlt: Ernst Höllerhagen. Das ist ungewöhnlich; Höllerhagen ist stets als Erster da und spielt sich warm für die Probe. Die Band macht sich auf die Suche, man klopft an der Zimmertür. Da kein Lebenszeichen aus dem verriegelten Raum dringt, entschließen sich die Musiker, die Tür gewaltsam zu öffnen. »Wir fanden ihn aufgehängt, tot in der Toilette.«

Nahezu ein halbes Jahrhundert später erinnert sich ein 83-jähriger Mann in einem Hotelzimmer irgendwo in der niederrheinischen Provinz an den Tag, an dem sein Freund und langjähriger musikalischer Wegbegleiter Ernst Höllerhagen freiwillig aus dem Leben schied. Für Osterwald, der sich auf einer Konzert-Tournee befindet und seine Zuhörer auf eine nostalgische Reise in die Swing-Ära der Nachkriegszeit mitnimmt, gleitet das Damals während dieser Spielpause langsam zurück in die Gegenwart: »Es war ein schrecklicher Moment. Kein Mensch hätte daran gedacht. Er war beliebt, man hatte ihn gern, den Ernst. Nicht nur Leute, die Musikkenner waren und ihn bewunderten, auch andere Menschen, die ihn einfach gern hatten. Er war ein herrlicher Kerl. Ich hatte auch meine Zwiespälte mit ihm. Manchmal. Aber wir waren Freunde und liebten uns mit der Musik.«

In der Erinnerung tauchen die Gespenster wieder auf, die Höllerhagen in jener Zeit immer häufiger aufsuchten. »Der Ernst war mit uns im Zimmer und erzählte, er hätte geträumt, er wäre in die Aare gesprungen. Und ich sagte darauf, dass er überlastet sei, und habe ihm vorgeschlagen, zwei Tage mit mir in die Ferien nach Italien zu kommen. Er schien damit ganz zufrieden zu sein. Doch am nächsten Tag sagte er wieder, er hätte Depressionen, fühle sich nicht gut. Ich sagte dann zu ihm: ›Geh doch mit dem Dennis (Dennis Armitage war der Saxophonist der Band) auf ein Zimmer, dass ihr miteinander sprechen könnt.‹ Er sollte sich nicht einsam fühlen, der Ernst.«

Ob es die Einsamkeit war, die Höllerhagen in den Freitod getrieben hat? Höllerhagens große Liebe und Ex-Frau Gret ist schon vor etlichen Jahren in die USA gegangen. Gesehen hat er sie seitdem nicht mehr, auch die gemeinsame Tochter bleibt für den Musiker eine Verschollene. Verwandte sind nicht in der Nähe. Das unstete Wanderleben der Musiker. Die Kontakte zu den Familienangehörigen in Deutschland sind im Schweizer Exil lose geworden. Höllerhagens Heimat war der Jazz.

Auf seinem letzten Gang wird Ernst Höllerhagen von zahllosen Menschen begleitet. Der Musiker wird neben der Tochter von Mendelssohn beerdigt. Im Kondolenzbrief schreibt Hazy Osterwald an Martha Blockhaus, die Schwester des Verstorbenen: »Tausende von seinen Freunden im In- und Ausland waren erschüttert von der Kunde, und von weither sind die Menschen zu seiner Beerdigung angereist. Unendlich viele Blumen und Kränze zeugten davon, wie sehr er überall beliebt war. Wir alle, die über Jahre lang mit ihm gelebt haben, werden ihn im steten besten Andenken bewahren.«

(Heiner Bontrup & Dieter E. Fränzel, Die Ernst Höllerhagen-Story, 2011)

Auszüge aus Wolfgang Muths „Ernst Höllerhagen, ein deutscher Jazzmusiker“, ca. 1964

Seine Freunde nannten EH den liebenswürdigen, fröhlichen und immer gut gelaunten rheinischen Jupp, der sich, stets hilfsbereit und uneigennützig, dort am wohlsten fühlte, wo die Musik “am duftesten“ war.

Sein Geburtstag ist der 5. Oktober. EH erlebte ihn 44mal - als Kind in seiner Heimatstadt Barmen, dem heutigen Wuppertal, später hier und dort in Europa, nicht selten in der Schweiz, die ihm 17 Jahre lang schon beinahe mehr als eine Wahlheimat geworden war. Zu der Zeit, da er als junger Mensch zum ersten Mal ein respektables Engagement erhalten hatte, bestand auch nicht mehr der geringste Zweifel daran, dass aus dem voller Erwartungen ins Ausland abdampfenden EH ein waschechter Musiker geworden war. Dabei sollte es mit ihm eigentlich ganz anders herum gehen; denn ursprünglich war vorgesehen, den Jungen die Rechtswissenschaften studieren zu lassen.

Als er mit 10 Jahren erste Violinstunden nahm, stand auch noch nicht ganz fest, dass EH später seine Ausbildung am Kölner Konservatorium fortsetzen würde. Das ergab sich erst aus der umfassenden Begabung, die er in der praktischen Beherrschung seines Instruments erkennen liess. Es waren schwere Zeiten, seine Kinder- und Jugendjahre: Krieg, Inflation, Weltwirtschaftskrise. Nebenbeschäftigungen waren gesuchte Objekte. Kein Wunder, dass EH bereits als Dreizehnjähriger in ein derartiges Geschäft einstieg. Kino-Ensembles waren seine ersten Stationen. Zu zweit oder zu dritt, wenn nicht gar im Verein mit mehreren Herren, bot sich übrigens damit nicht der schlechteste Job an. Natürlich hatten die Lichtspielhäuser jener Jahre nicht selten auch im musikalischen Beiwerk ihre eigene Note. Pflegte man in grossen Häusern dezente Pausenuntermalung per Orgel oder Salonorchester, so eröffneten sich im hemdsärmeligen Milieu der „Kientöppe“ völlig andersartige Möglichkeiten musikalischer Produktion. Dort waren dem Ideenreichtum der Kinomusiker kaum noch Grenzen gesetzt, wenn es darum ging, im Verein mit rhetorisch überschäumenden Filmerklärern die oftmals nicht üblen Gags der Helden aus der Stummfilmzeit mit einem eindrucksvollen Background zu versehen.

Und dem Knaben EH machte es Spass, mit dem niemals lächelnden Buster Keaton, dem in schwindelnden Höhen balancierenden Harold Lloyd oder dem in letzter Sekunde seiner Verfolgerschar entwischenden Charles Spencer Chaplin im Programm zu sein.

Während seiner erfolgreichen Studienzeit auf dem Konservatorium in Köln verlagerte EH seine persönlichen Erwerbsquellen vom Kinosaal in die Nachtbars; denn für den jungen Musikstudenten waren derartige Nachtengagements der einzige Weg, um zu Geld zu kommen. Im Kollegium der Lehranstalt vertrat man dazu allerdings einen anderen Standpunkt und machte ihm mehr als einmal klar, dass dementsprechende Beschäftigungen mit den Prinzipien des Konservatoriums keinesfalls vereinbar seien. Ferner sei das Auftreten Minderjähriger in solchen Lokalitäten an sich schon ein Verstoss gegen das Gesetz…

Indes vermochten diese Zurechtweisungen die jugendliche Unbekümmertheit EHs nicht durchgreifend zu beeinflussen. Kurz vor Beendigung seiner Kölner Zeit präsentierte er sich in kurzen Hosen auf einer Bühne als musikalischer Wunderknabe, und das Publikum – nur eine Brauereibelegschaft – war hellauf begeistert.

Dass der talentierte Geiger schliesslich auch ein tüchtiger Saxophonist geworden war, versteht sich aus der Grundforderung einer jeden soliden musikalischen Ausbildung. Ausserdem stand für EH fest, dass er seinen Weg im Bereich der „leichten Muse“ suchen und finden würde. So wurde das Altsaxophon für ihn zunächst das Gegenstück zur Violine. Obwohl er sich später gleichermassen auf dem Tenorsaxophon erprobte und auch Sopran- bzw. Basssaxophon zu spielen verstand, gab er dem Altsax einen eindeutigen Vorzug.

Es war für den frischgebackenen professionellen Musiker EH ein verheissungsvoller Anfang, als ihn der amerikanische Bandleader Sam Wooding anlässlich einer Europa-Tournee in sein Orchester holte. Diese Band war ein fähiges Team; denn Wooding wartete stets mit einer Reihe guter Jazzmusiker auf. Zum Personal gehörten damals Leute wie die Saxophonisten Willie Lewis und Gene Sedric, der Trompeter Bobby Martin und der Banjoist John Mitchell. Sie bildeten bereits jahrelang den Stamm des Wooding Orchesters. 1929 stieg Tommy Ladnier ein zweites Mal vorübergehend ein, und ein Jahr später kam June Cole hinzu, den man zu den bedeutendsten Tubisten des frühen Swing zählt. Er war bei McKinney’s Cotton Pickers gewesen und wurde der Nachfolger Bob Escuderos in Fletcher Hendersons Bigband. Ein beachtenswerter Mann also, der zusammen mit dem Schlagzeuger Ted Fields das Dutzend bei Wooding komplett machte.

Inmitten dieser alten Routiniers hatte der 18jährige EH genügend Gelegenheit, eine erste Brise wirklicher Jazzatmosphäre aufzunehmen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Sam Wooding war von dem jungen Saxophonisten sehr angetan und wollte ihn nach New York mitnehmen. Aber eine Reise über den Atlantik lag nicht in EHs Sinn, und er blieb auf dem Kontinent.

In der ersten Hälfte der dreissiger Jahre gab es für ihn nicht wenige ansprechende Angebote. Er wirkte als Altsaxophonist in Lattaye sowie in Den Haag, und als er 1933 dem holländischen Orchester Melle Weersma – einer der frühen europäischen Grossformationen des Swing – angehörte, galt er bereits als bester deutscher Saxophonist. Man hatte ihm ein Jahr vorher diese Anerkennung zugesprochen, und sie war für einen Musiker im Alter von 20 Jahren nicht alltäglich.

Wenngleich EH sich inzwischen zu einem perfekten Altsaxophonisten entwickelt hatte, begann er, seine Aufmerksamkeit in verstärktem Masse der Klarinette zuzuwenden. Er fand, dass dieses Instrument am ehesten dazu geeignet war, seine persönlichen musikalischen Ideen und Auffassungen am ausdruckvollsten umzusetzen. So widmete er sich mehr und mehr der intensiven Arbeit auf der Klarinette und wurde auch bald ein ausgezeichneter Solist. Sein Vorbild war Benny Goodman.

In Juan Llossas‘ Orchester machte EH die Bekanntschaft eines Musikers, mit dem er in den späteren Jahren noch oft und erfolgreich zusammenarbeiten sollte. Es war der Zürcher Eddie Brunner. Einen anderen erstklassigen Tenorsaxophonisten fand EH während eines Engagements bei Jack Hylton: Freddie Schweitzer, der vor 1930 in bekannten deutschen Orchestern tätig war, dann lange Jahre bei Hylton unter festem Vertrag stand und schliesslich in England verblieben ist. Ehe EH mit einem dritten Tenoristen – und diesmal mit keinem geringeren als dem grossen Coleman Hawkins – zusammentraf, spielte er im deutschen Orchester von Marek Weber sowie bei dem Belgier John Ouwerx.

Die wenigen Aufnahmen, die Hawk mit den ihn begeitenden „Berries“ anlässlich seines Schweizer Aufenthalts machte, vermögen nur einen Bruchteil der „Stimmung“ einzufangen, die beispielsweise im Berner „Chiquito“ herrschte, als der amerikanische Gast dort 1936 zusammen mit EH spielte.

1931 hatte ein Nazi-Staatsminister ein Jazzverbot für Thüringen angeordnet. Nach dem faschistischen Machtsantritt wurden weitere lokale Jazzverbote erlassen. 1935 erfolgte das Verbot der Jazzmusik für den „Grossdeutschen Rundfunk“. 1936 begann die „Reichsmusikkammer“ gegen öffentlich gespielte Swingmusik vorzugehen, die sich in der ersten Hälfte der dreissiger Jahre zunächst ziemlich ungehindert entwickelt hatte. Man erging sich in Hetztiraden, versuchte Stimmung gegen den „Negerjatz“ zu machen und ächtete jüdische Komponisten. Dabei konnte man nicht verhindern, dass eine auf Gefälligkeit und Tanzbarkeit ausgerichtete Swingmusik inzwischen festen Fuss in Deutschland gefasst hatte.

Die Goldene Sieben
EH fand in dieser Band ein reichhaltiges Betätigungsfeld. Er spielte Klarinette, Altsaxophon – und Violine! Das war 1937/38, als Kurt Hohenbergers Solisten-Orchester, auch „Kurt Hohenbergers Goldene Sieben“ genannt, in Berlin seine grosse Zeit hatte. Wer es nicht persönlich kennengelernt hatte, konnte seine Musik auf einer Anzahl von Schallplatten der Marke Telefunken hören, die den Ruf des Septetts weit über die Grenzen Berlins hinaus verbreiteten. Dass da beispielsweise auf „You’re driving me crazy“ ein EH die acht Takte Chorus-Violine spielte, war den meisten Swingfreunden ebenso unbekannt wie die Tatsache, dass selbiger EH sich auch für die zahlreichen Klarinettenparts in bester Goodman-Manier verantwortlich zeichnete. Die deutschen Plattenfirmen machten fast keine discographischen Angaben zu ihren Veröffentlichungen. Sie verkauften ihre Platten als Tanzmusik, und da genügte es, Titel und Orchester aufzuführen.

EH war neben seinem Engagement bei Hohenberger ein bevorzugter Studiomusiker. Haentzschel und Kirchstein holten ihn sich als Soloklarinettisten in die erweiterte Besetzung der „Goldenen Sieben“. Hierbei wurde er auch zu Filmaufnahmen für deutsche Lustspiel-Filme herangezogen und machte mit seinem Show-Talent die Filmleute auf sich aufmerksam. Ebenso konnte ihn Teddy Stauffer für Schallplattensitzungen verpflichten. EH begann, sich im Aufnahmestudio von Telefunken heimisch zu fühlen; denn gleich Hohenbergers Septett wurden die „Original Teddies“ dort oft beschäftigt. Es waren nicht nur die Gastspiele in der „Femina“, im „Delphi-Palast“ oder im „Ka Ka Du“, die Stauffer und sein Orchester in der Mitte der dreissiger Jahre von Erfolg zu Erfolg gelangen liessen, sondern auch die Fülle der aufgenommenen Schallplatten tat ihr übriges, die Teddies in die vorderste Reihe der populärsten Swingorchester, die es in Deutschland vor dem zweiten Weltkrieg gegeben hat, einzuordnen.

Gewiss sorgte der grosse, blonde Bandleader nach Kräften dafür, seine Original Teddies dem Publikum mittels beliebter Show-Effekte zu verkaufen. Aber bei aller kommerziellen Tendenz bewahrte sich die Band ein akzeptables Mass an Swing und Solistik. Billy Toffels englischer Refraingesang war nicht  übel, und unter den Chorusleuten der Teddies gab es – neben anderen bemerkenswerten Solisten – mit EH, Omer de Cock, Bertalan Bujka und Walter Dobschinski ganz „bediente“ Kapazitäten.

Ausserdem war dieses Orchester in Bezug auf Aktualität seines Repertoires kaum überbietbar. Die Teddies waren immer im Bilde, und es sind keine Einzelfälle, da sie die amerikanischen Erfolgstitel, im Arrangement zum Teil nur geringfügig vom Original abweichend, kurze Zeit später in Deutschland spielten – und das bis 1939.

Ehe EH einem festen Vertragsangebot Stauffers zustimmte, hielt er sich 1938/39 für einige Zeit in England auf. Jack Hylton beabsichtigte, ihn erneut für sein Orchester zu engagieren, aber infolge einer laufenden Verschlechterung der deutsch-britischen Beziehungen sollte letzten Endes nichts daraus werden. EH reiste in London an – und erhielt keine Beschäftigungserlaubnis. Somit stand er urplötzlich ohne jedes Engagement da. Eine Rückkehr nach Deutschland kam für ihn jedoch nicht in Frage; denn er hatte schon in Berlin keinen Hehl daraus gemacht, dass ihm die nazistische „Kulturlenkung“ zuwider war. So verbrachte er zunächst ein paar beschäftigungslose Monate auf der Insel, und dann ging er in die Schweiz, in den Saxophonsatz der Teddies. Es war nicht mehr die alte Berliner Truppe, die anstelle des angekündigten Jimmie-Lunceford-Orchesters anlässlich der Schweizer Landesausstellung in Zürich gastierte. EH gehörte als einziger Deutscher zum Aufgebot, und es sollte eine lange Reihe von Jahren vergehen, bis er einige seiner ehemaligen deutschen Musikerkollegen und Freunde wiedersehen sollte. Bei Ausbruch des Krieges verblieb er in der Schweiz und genoss das Asylrecht dieses neutralen Landes.

Der Stauffer-Band mangelte es weder in den grossen Schweizer Städten noch in den weltbekannten Kurorten an Engagements. Als Tanz- und Schauorchester gleichermassen beliebt und gefragt, fand man die Teddies sowohl zum Tanztee auf der Terrasse eines Luxushotels als auch zur grossen abendlichen Bühnenschau in hellem Rampenlicht. Mit einem eigenen Fuhrpark von drei Fahrzeugen rollte das Orchester seinerzeit von Auftritt zu Auftritt. Stauffers elegantes Kabriolet war allein gross genug, um einem halben Dutzend Musikern mit Instrumenten Platz zu bieten.

Frei von irgendwelcher Behinderung oder Einschränkung spielten die Teddies in der Schweiz die neuesten amerikanischen Swingtitel frisch von der Leber weg. Neben eingeführten Druckarrangements entstanden auch sehr gute Eigenbearbeitungen, die fast ausschliesslich auf das Konto des Pianisten Buddy Bertinat kamen.

Die Schweizer Plattenfirma Turicaphon AG nahm die Band unter Vertrag und machte mit ihr einen ganzen Schwung Schallplattenaufnahmen.

Trotz des qualitativen Aufstiegs der Teddies kam es im Jahre 1941 zu einem unerwarteten Wechsel in der Leitung der Band. Der langjährige Bandleader, Showman und Charmeur Teddy Stauffer aus Murten in der Schweiz sagte seinen Musikern und seinem Heimatland Ade und verschwand in Richtung Amerika. (Anmerkung: Tenorsaxophonist Eddie Brunner übernahm die Leitung der Band.)

Seine Vorliebe für kleine Improvisationsgruppen liess Brunner auch während der Jahre gelten, als er die Teddies leitete – und stets war EH dabei an seiner Seite; denn ein Klarinettist dieses Kalibers war damals nicht nur für Schweizer Verhältnisse einmalig. Willie Lewis, der ehemalige Wooding-Sideman, reiste im Sommer 1941 mit seiner Negro Band nach Zürich, um mit EH Schallplattensitzungen durchzuführen. Philippe Brun, ein in der Schweiz gastierender französischer Trompeter, machte Aufnahmen mit EH, Brunner und weiteren Musikern der Teddies. Die „Blue Party“-Einspielung jener Gruppe wurde in Schweden als die beste bis dahin herausgebrachte Elite Special Platte bezeichnet und fand in der schwedischen Fachpresse ein grossartiges Lob.

Nicht weniger beachtlich waren die Quartett-Aufnahmen, die EH in den Jahren 1942-48 unter eigenem Namen machte. Sie sind nicht nur ein wesentlicher Beitrag zur europäischen Jazzgeschichte, sondern vermitteln ebenso einen umfassenden Überblick über die Qualitäten EHs als einen der führenden europäischen Jazzmusiker.

Anfang 1947 schloss sich EH der Bigband des jungen Hazy Osterwald an, zu einer Zeit, da die Ära der grossen Swingbands auch in der Schweiz ihrem Ende zuging. Das Osterwald-Orchester blieb von finanziellen Schwierigkeiten nicht verschont und war 1948 die nunmehr einzige Bigband im Lande. Hazy versuchte, der zunehmenden Konkurrenz kleiner, zugkräftiger Formationen mit einem noch zugkräftigeren Schauorchester entgegenzuwirken. Er bat Bertalan Bujka die Partnerschaft in der musikalischen und wirtschaftlichen Leitung seines Orchesters an. Bujka stieg ein, und dank seinen guten Beziehungen blieben beachtenswerte Angebote nicht aus. Verträge wurden unterzeichnet, und einem vielversprechenden Start folgte ein grossartiges Halbjahr, ehe es im Februar 1949 zu einem ernsten Zerwürfnis zwischen beiden Orchesterchefs kam. In dessen Folge verzichtete der einer Unfairness zum Opfer gefallene Hazy auf sämtliche Rechte im Orchester und trennte sich sofort von Bujka.

Diese unerfreulichen Geschäftsgebaren hatten das Misstrauen EHs erregt, und er verliess ebenfalls kurz entschlossen die Band, die wenig später völlig auseinanderfiel, nachdem der verbliebene Bandleader seinerseits über Nacht das Weite gesucht hatte, um als Show-Attraktion im Ausland aufzutreten. EH blieb zunächst für ein paar Monate ohne Engagement. Lediglich ein paar Aufnahmen für den Funk kamen zustande. Als Osterwald, mit dem ihn bereits zu jener Zeit ein freundschaftliches Verhältnis verband, nach einer durch die Ereignisse verursachten seelischen Depression einen neuen Start versuchte, gab es für ihn kein Überlegen. Auch der Bassist Sunny Lang war wieder mit von der Partie, und noch drei junge, talentierte Musiker konnten engagiert werden: Der Amateurpianist Francis Burger aus Basel, der französische Gitarrist Pierre Cavalli sowie der Italiener Cil Cuppini am Schlagzeug. Das Hazy Osterwald Sextett war gegründet.

Mit dieser frisch gebackenen Combo vertrat Osterwald die Schweiz im gleichen Jahr auf dem Pariser Jazz-Festival und feierte einen unerwarteten Erfolg. Jazzpersönlichkeiten aus Amerika und Europa gaben sich vom 8. Bis 15. Mai 1949 ein Stelldichein in der Seinestadt. Dass man „Ernst Höllerhagen“ neben „Hazy Osterwald“ aufführte, macht deutlich, welche Beachtung man EH auf diesem Festival schenkte.

Hazys Sextett kam gut an und wurde über Nacht zu einem Begriff. Populäre Pariser Zeitungen äusserten sich begeistert über „Hazy Osterwald et son Sextette actuel“, und Jazzkritiker waren ebenso des Lobes voll über diesen Schweizer Beitrag. Dabei hätte das Sextett beinahe gar nicht auftreten können. Osterwald hatte sich wenige Tage vorher einer Zahnbehandlung unterzogen und war ausserstande, Trompete zu blasen. Er musste sich kurzerhand dazu entschliessen, für das Pariser Gastspiel vollkommen auf das Vibraphon umzusteigen. Das Experiment zahlte sich gut aus. Die mitreissende, ideenreiche Swingmusik erntete ungeteilten Beifall. Konzertagenturen begannen, auf das Schweizer Team aufmerksam zu werden, und glänzende Angebote wurden unterbreitet, für die Schweiz und auch für das Ausland: Italien, Dänemark, Schweden, England…

Mit der Tour nach Paris hatte EH nach 10 Jahren erstmalig wieder Schweizer Boden verlassen – damals noch auf recht ungewöhnliche Weise. Er musste buchstäblich über die Grenze geschmuggelt werden, weil er keine gültigen Papiere besass, weder schweizerische noch deutsche.

In Schweden machte er 1950 die persönliche Bekanntschaft Benny Goodmans, der zur gleichen Zeit mit seinem Sextett, in dem Roy Eldridge und Zoot Sims spielten, auf Europa-Tournee war. Der Lehrmeister und der Schüler musizierten miteinander, und Goodman tat etwas Aussergewöhnliches: Er lieh EH seine Klarinette. Goodmans Biographen wissen zu berichten, dass Benny so etwas lediglich in diesem einen Falle fertiggebracht haben soll. Für EH zählte diese Begegnung zu den imposantesten seines Lebens. Stilistisch baute er, als er mit Goodman zusammentraf, allerdings nicht mehr generell auf der Spielweise des „King of Swing“ auf, sondern befand sich damals bereits zunehmend im Bereich modernerer Auffassungen. Das bedeutet nicht, dass seine Bewunderung für berühmte Standards der Swingklarinette in der Art von Goodmans „Sing, Sing, Sing“ oder Artie Shaws 1940er „Concerto for Clarinet“ schwand. Die Jazzentwicklung brachte es mit sich, dass sich EH in den Nachkriegsjahren auf Ausdrucksmöglichkeiten der Klarinette im modernen Jazz orientierte. So wies sein Spiel in den fünfziger Jahren viele Gemeinsamkeiten mit dem Tony Scotts und Buddy de Francos auf. Auch ein Treffen mit Stan Kenton in Frankfurt/Main vermittelte ihm neue Impulse für sein künstlerisches Schaffen.

In dem stets „angejazzten“ Show-Geschäft Hazys ging es kreuz und quer durch Europa vom Polarkreis bis zum Orient. Daneben gab es Beschäftigungen bei Schallplatten-, Rundfunk- und Fernsehgesellschaften, und Filmproduzenten holten sich das Sextett zu Musik- und Revuefilmen in die Ateliers. 1954 kam es in Basel zu einer Plattensitzung, die unter Beweis stellte, dass sich Osterwald und seine Musiker neben ihrer ständig grösser werdenden Beliebtheit in der Unterhaltungsbranche ein gesundes Verhältnis zum anspruchsvollen Jazz bewahrt hatten. Ein Jahr später wurde erneut eine Anzahl von Jazztiteln aufgenommen. Es war zugleich EHs letztmaliger Aufenthalt in einem Schallplattenstudio.

Als Osterwald, mit dem Sextett in Interlaken weilend, für einen Sommermorgen im Jahre 1956 eine Probe angesetzt hatte, um eine neue Eigenkomposition einzustudieren, liess EH zur grossen Verwunderung aller auf sich warten. Hazy und seine Musiker hielten diesen Umstand kaum für möglich; denn ihr „Ernie“ galt als Vorbild für Pünktlichkeit und Korrektheit. Nachdem man vergeblich versucht hatte, den vermeintlichen Langschläfer durch Lärmen vor seinem verschlossenen Zimmer wachzurufen, entschieden sich die Musiker dafür, die Tür gewaltsam zu öffnen. Sie machten eine furchtbare Entdeckung. EH war tot. Er hatte seinem Leben am 11. Juli 1956 ein vorzeitiges Ende gesetzt.

Das war für Hazy und seine Leute ebenso unfassbar wie für alle, die EH als einen erstklassigen Musiker schätzten. Wohl wussten seine Kollegen um die menschlichen Schwächen ihres deutschen Freundes. Seine fröhlichen Spässe, die unermüdliche Einsatzbereitschaft sowie die Anpassungsfähigkeit an die durchweg jüngeren Mitglieder des Sextetts vermochten nicht, die Schattenseite im Leben des Menschen EH zu überdecken, der, entgegen seiner künstlerischen Karriere, in der Liebe wenig Erfolg hatte und zuletzt nicht selten versuchte, seinen Kummer beim reichlichen Genuss von Alkohol zu vergessen. Allein – einen Selbstmord hätte ihm niemand zugetraut.

Hazy Osterwald: „Ernst Höllerhagen war schon in meiner frühen Amateurzeit mein heimlich verehrtes Musiker-Idol. Als wir uns später kennenlernten, wurden wir unzertrennliche Freunde. Zehn reiche Jahre lang haben wir Seite an Seite gearbeitet. Wir haben die von Sonne durchfluteten wie auch die stürmischen Alltage unseres ebenso schönen wie schweren Berufes Seite an Seite erlebt und miteinander wohl die schönsten Erfolge errungen. Ich habe keinen gewissenhafteren Musiker gekannt, als Ernst Höllerhagen es war. Er war stets zur Stelle, nie launisch, nie unzuverlässig, er stand immer auf seinem Posten. Zu jeder Probe, zu jedem Auftritt erschien er eine halbe Stunde früher, als man ihn gebeten, zog sich still und in sich gekehrt in eine Ecke zurück und spielte sich anschliessend auf seinem Instrument ein. Er nahm seinen Beruf ernst, einfach, weil er ihn liebte und sich ihm mit Leib und Seele verschrieben hatte. Er war eben ein hundertprozentiger Musiker.“

(Wolfgang Muth, „Ernst Höllerhagen, ein deutscher Jazzmusiker“, Jazz im Klub, Magdeburg, ca. 1964)

Teddy, Eddie und Hazy

Bei fast allen (ausser Fred Böhler), die in der Kriegszeit bei uns Rang und Namen hatten, wirkte Ernst als willkommener, brillanter Solist mit – Teddy Stauffer, Eddie Brunner (zusammen mit Glyn Paque!) und schliesslich Hazy Osterwald, bei dem er blieb, als dieser – der Not gehorchend – 1949 ein eigenes Sextett gründete. In Hazys Show war er vielleicht nicht der Lustigste, doch ich entsinne mich mit Vergnügen an seine Parodie eines Teppichverkäufers.

Ernst Höllerhagen litt an Depressionen, die er oft im Alkohol ertränken wollte, wozu im Sextett ja genügend viele Zechkumpane zu finden waren. Eine tragische Liebesgeschichte, die Trennung von Frau und Kind und ein Herzinfarkt gaben ihm den Rest. Im Juli 1956 bereitete er in Interlaken, wo er auch begraben ist, seinem Leben ein Ende.

Zurück zum Anfang in der Schweiz

Ernie Höllerhagen war auch Mitglied bei The Berries (mit André Berners Vater Ernest), mit denen er schon vor dem Krieg in Zürich Coleman Hawkins begleitete! Auch wurde er 1941 von Willie Lewis and his Negro Band zu Plattenaufnahmen eingeladen. Mit seinem eigenen Quartett (als Rhythm Section diejenige von Teddy Stauffer, manchmal mit Vibrafonist Hazy Osterwald erweitert) hat er sich auf Schellack verewigt.

Eine gigantische Diskografie

Der Mann, dem einmal in Stockholm ein beeindruckter Benny Goodman angeboten hatte, er dürfe auf seiner Klarinette spielen (unserem Kurt A. Müller in Bangkok hat er immerhin eine geschenkt!), konnte auf eine immense Diskografie zurückblicken. Die ersten Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1934 mit dem Orchester Melle Weersma aus Hilversum (mit Eddie Brunner!). 1936 folgten als wahre Rarität die Platten mit Coleman Hawkins in Zürich. Einen grossen Platz nahmen die Goldenen Sieben und ihr Orchester unter Kurt Hohenberger ein (Aufnahmen zwischen 1936 und 1939), und dann kam schon Teddy Stauffer!

Erst 1940 wurde diese Hegemonie dank Eddie Brunner durchbrochen. Von Willie Lewis und seinen in Zürich produzierten Platten sprachen wir bereits, von Ernies Quartett oder Quintett auch.

Mittlerweile hatte sich Teddy Stauffer nach Acapulco verzogen. Dessen Drummer Paul Guggisberg finden wir in Höllerhagens Kleinformationen und beim Philippe Brun Septett, wo Ernie auch zu Aufnahmen gebeten wurde.

1947 taucht erstmals Hazy Osterwald, als Chef einer Bigband, in der Diskografie auf, 1950 sein Sextett. Am 31. März 1954 wurde in Basel das Stück «Ernie» aufgenommen! Den «Kriminaltango» musste Ernst Höllerhagen nicht mehr erleben!

Wer Ernst Höllerhagen hören will, kann dies auf folgenden Tonträgern tun:

Ernst Höllerhagen, 1942 – 1948
ES 9522001 (2 CDs)
SJO-CD 01089

Swing in Europa, 1939 – 1945
(Ernst Höllerhagen Quartett) ES 73311
SJO-CD 00437

Jazz in Switzerland, 1930 – 1975
ES 9544002 N (4 CD Box)
SJO-CD 00462-1

(Ueli Staub, Jazzletter Nr. 24, August 2011)

Er galt als eines der größten Ausnahmetalente des deutschen Jazz. Als musikalisches Wunderkind in Wuppertal geboren, kam Ernst Höllerhagen als aufsteigender Jazz-Star nach Berlin. Dort wurde er 1932 zum besten Saxofonisten Deutschlands, nachdem seine Karriere gerade mal zwei Jahre zuvor in Hamburg begonnen hatte. Dem nationalsozialistischen Deutschland entflohen, ging Höllerhagen, weil er „lieber mit Benny Goodmans Musik sterben als mit Marschmusik leben“ wollte, ins Exil in die Schweiz.
Eine Biografie setzt dem Vergessenen zu seinem 100. Geburtstag im nächsten Jahr (2012) jetzt ein Denkmal. Zwei Jahre lang haben Heiner Bontrup und E. Dieter Fränzel recherchiert, Zeitzeugen befragt und die Lebensgeschichte des Musikers rekonstruiert. Ergebnis ist eine lesens- und betrachtenswerte Mischung aus Fakten, Fotos und Anekdoten. Ernst Höllerhagen, stellen die beiden Wuppertaler Autoren fest, verbrachte „ein Leben swingend zwischen musikalischen Höhenflügen und Abstürzen im Privaten“. „Wer war der Mensch hinter diesem Musiker?“, fragen sie, ohne abschließende Antworten geben zu können. Höllerhagen war oft verschlossen, in sich gekehrt. Nach privaten Schicksalsschlägen fehlten ihm außerhalb der Musik die Ankerpunkte, sodass er in Depressionen verfiel und sich im Exil das Leben nahm. Darüber war Hazy Osterwald am meisten betrübt, wie er einleitend den Autoren erzählt. Er spielte mit Höllerhagen lange in einer Band, freundete sich mit ihm an. „Er war stets zur Stelle, nie launisch, nie unzuverlässig, er stand immer auf seinem Posten“, erinnert sich der Entertainer und langjährige Weggefährte.

(Reiner Kobe, das Orchester 09/2011)

Ernst Höllerhagen in Holland

Als Anfang 1934 der Pianist Melle Weersma eine eigene Band zusammenstellt, holt er den deutschen Saxophonisten nach Holland. Vom 1. Februar 1934 an spielt das Melle-Weersma-Orchester für drei Monate im »La Gaité« in Amsterdam, dem Cabaret und Tanzrestaurant des legendären Tuschinski-Filmtheaters. Die zwölfköpfige Band, die unter dem Namen »Melle Weersma & his Red, White and Blue Aces« auftritt, macht schnell Furore.

Der Jazz-Journalist Bob Schrijver ist begeistert. In der Februar-Nummer von De Jazzwereld 1934 schreibt er: »Mehrere Male in der Woche kamen aus verschiedenen Teilen unseres Landes prominente holländischen Jazzmusiker bei Tuschinski zusammen, um auf der großen Bühne zu üben. Hier thronte Melle Weersma am Flügel inmitten seiner Musiker. Es wurde eifrig geübt, um Weersmas Arrangements so vollkommen wie möglich wiederzugeben.« Insbesondere lobt Schrijver die Saxophon- Section, bei der Höllerhagen mit von der Partie ist: »Die vier Saxophonisten bildeten eine Gruppe, die, was das Zusammenspiel und die Soli betrifft, einzigartig genannt werden kann. Außer auf der Platte von Ellington selbst, hatten wir ›Sophisticated Lady‹ noch nie so ›sophisticated‹ gehört.«

Das Konzert des Melle Weersma-Orchesters am 11. März 1934 ist eine Reminiszenz an den Duke des Jazz: In Rhythm«, »Black And Tan Fantasy« und »It Don’t Mean A Thing« haben die Solisten Eddie Brunner und Ernst Höllerhagen reichlich Gelegenheit, ihre Talente als Jazz- Improvisatoren zu zeigen. Begeistert verfolgen die mehr als 400 Jazzliebhaber im »La Gaité« die musikalischen Darbietungen. Der Journalist Bob Schrijver kommentiert:
»Noch nie hat eine Band in unserem Land solche anerkennenden und ernsthaften Kritiken bekommen. Sogar in Amerika, dem Geburtsland des Jazz, ist man selten oder nie imstande gewesen, ein solches ›Avantgarde‹-Konzert zu organisieren. In keinem Land der Welt hat die wahre Hot-Musik prozentual so viele Anhänger wie in unserem Land.«

Vielleicht zeichnet Bob Schrijver ein zu schön gefärbtes Bild der damaligen kleinen niederländischen Jazz-Welt. Doch er kann nicht ahnen, welches Unheil seinem Land und der Musik droht, über die er mit so viel Enthusiasmus schreibt: Der Saxophonist Antoon Swaan und der Schlagzeuger »Eli« Tokkie, die Herzkammern der Swantockers, bei denen Höllerhagen gespielt hatte, werden der nationalsozialistischen Fremdherrschaft zum Opfer fallen. Die jüdischen Musiker sterben nach ihrer Deportation in einem KZ. Ein Schicksal, das sie mit vielen anderen holländischen Juden und Jazzmusikern teilen.

(Heiner Bontrup & Dieter E. Fränzel, Die Ernst Höllerhagen-Story)

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Schellackplatten von Ernst Höllerhagen in unserem Archiv: >>>

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Zusammengestellt von Thomas Schärer