Billy Toffel, * 19.06.1916, Lausanne, Todesdatum unbekannt
Gitarre, Gesang, Kontrabass
The Rhythm Man par excellence
Als Soloinstrument spielt die Gitarre quer durch die Jazzgeschichte gesehen gewiss nicht die grosse Rolle wie die Trompete oder das Saxofon. Als Rhythmusinstrument hingegen ist sie in einer extra für den Swingjazz gebauten Ausführung von enormer Bedeutung. Der wichtigste Rhythmusgitarrist der ganzen Jazzgeschichte war ohne Zweifel Freddie Green. Als Teil von Count Basies sogenannter «All American Rhythm Section» sorgte er während vieler Jahre für den solide swingenden Unterbau der Basie Band und verzichtete, sich mit seinem Instrument als Solist zu präsentieren. Green war neben dem Spiel mit der Gitarre zwar kein Sänger, könnte aber trotzdem das beste Vorbild für den Schweizer Gitarristen Billy Toffel gewesen sein.
Allererste Akkorde in Lausanne
André «Billy» Toffel kam am 19. Juni 1916 in Lausanne zur Welt. Sein Vater, ein echter Romand, sprach französisch, seine Mutter, eine Opernsängerin aus der Ostschweiz, deutsch. Bald zeigte sich, dass des kleinen Billys Musikgehör das Normalmass überschritt. Mama Toffel war dafür besorgt, dass ihm schon bald Klavier- und Gesangsunterricht erteilt wurde, was sich später sehr positiv auf die Laufbahn des Gitarristen und Sängers auswirkte. Schon als Teenager strebte Billy an, sich einmal als Profimusiker zu etablieren.
Früher Start als Profi
Bereits mit 17 war’s dann soweit. Das erste Profiengagement war in Genf. Billy stieg mit viel jugendlichem Optimismus bei der Houseband des Moulin Rouge als Gitarrist ein. Als Sänger von «Basin Street Blues», «Dinah» und einigen anderen bekannten Standards, erntete er schon ganz beträchtlichen Applaus.
Viel Jazz mit Coleman Hawkins
1935 war ein wichtiges Jahr für Billy Toffel. Der Drummer Bernhard «Berry» Peritz, damals gewissermassen der Gene Krupa der Schweiz, holte ihn in ein Orchester, das bezüglich Jazz einen beträchtlichen Höhepunkt in Billy Toffels Karriere brachte. Am Klavier sass Ernest Berner, der Vater von André Berner, der 1952 das Zürcher Jazzfestival ins Leben rief, und last but not least: als Tenorsaxofonisten konnte man den amerikanischen Topmusiker Coleman Hawkins verpflichten, der im Rahmen seines Europaabstechers gross bei den «Berry’s» von Berry Peritz herauskam.
Von den «Berry’s» zu den «Teddies»
Das war für Billy ein Wechsel von nachhaltiger Wirkung. Die «Original Teddies» des Berners Ernst «Teddy» Stauffer waren kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Hauptattraktion der Berliner Tanzpaläste. Noch bevor der ausgezeichnete Klarinettist und Altsaxofonist Ernst Höllerhagen durch den Jobwechsel vom Orchester Marek Weber zu den «Original Teddies» den Jazzwert dieser Band erheblich steigern konnte, startete Billy Toffel seinen grossen Karriereabschnitt bei der damals erfolgreichsten Schweizer Big Band als Gitarrist und notabene als Sänger. Wie schon erwähnt, erhielt Billy bereits während seiner Schulzeit Gesangsunterricht. Seine Mitschüler erfreute er mit amerikanischen Songs, die er im Radio gehört hatte. Nun war die Zeit gekommen, Songs in professionellem Umfeld vorzutragen.
Von 1936 an, als die «Original Teddies» das attraktivste Jazz-Tanzorchester von Berlin waren, bis in die Vierzigerjahre hinein, als Eddie Brunner die Band übernahm, weil sich Teddy Stauffer im mexikanischen Acapulco niederliess, gehörte Billy Toffel zur Stammbesetzung der wohl berühmtesten Schweizerband, deren Name «Original Teddies» allen Tanzfreudigen ein Begriff war.
Zurück in die Schweiz
Die Organisatoren der Schweizerischen Landesausstellung 1939 in Zürich wollten mit ihrem Tanz-Palais ganz gross herauskommen und die amerikanische Big Band Jimmy Lunceford als Tanzorchester präsentieren. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Statt mit Lunceford gab es nun Verträge mit Teddy Stauffer und Fred Böhler. Der Erfolg der «Original Teddies» war beachtlich. Besonders die amerikanischen Nummern, die Billy Toffel im Duett mit der holländischen Sängerin Phyllis Heymans sang, waren Höhepunkte der Teddies-Performance.
Die «Nach-Teddies-Zeit»
Mitte der Vierzigerjahre, als die beste Zeit für Big Bands, die zum Tanz aufspielten, vorbei war, lösten sich die «Original Teddies» auf. Eddie Brunner spielte nur noch mit Kleinformationen, doch Billy Toffel blieb den Big Bands treu. Während zwei Jahren war er beim französischen Orchester Ray Ventura. Als er nur noch gelegentlich zur Gitarre griff, entwickelte Billy neben der Musik weitere Fähigkeiten. Darüber gibt es leider nur spärliche Informationen. Immerhin weiss J. Taylor Dogget, dessen Booklet «The Billy Toffel Story» wir eine Reihe wichtiger Angaben entnehmen konnten, dass Billy nach seiner Auswanderung nach USA und Mexiko einige Jahre nach der «Teddies-Zeit» ein Studium in Business Administration in New York absolvierte und sich Mitte der Fünfziger als Manager von Columbia Records Mexiko bewährte. Er produzierte auch Werbefilme und TV-Shows.
Ausserdem wurde er als Schauspieler bekannt, unter anderem im französischen Film "Les orgueilleux" (1953) und in mexikanischen Filmen wie z. B. "Agente XU 777" (1963) oder "Pacto de sangre" (1966). Billy Toffel war zweimal verheiratet und hatte zwei Söhne und eine Tochter.
J.T. Schmid
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Musikauswahl: Thomas Schärer