Portrait des Monats September, Rolf Cizmek

* 7. September 1936 in Zürich, † 17. Juli 2013 in Grüningen

Fragte man im letzten Jahrhundert namhafte Jazzmusiker nach dem ersten Instrument in ihrer Karriere, so fiel auffallend oft das Wort «Akkordeon». Auch der 1936 in Zürich geborene Rolf Cizmek, der nach der Schulpflicht seine kaufmännische Lehre bei einer Versicherung absolvierte, bearbeitete in Mussestunden die Knöpfe einer Handorgel. Im Limmatathen der Nachkriegszeit griff allerdings auch das aus Amerika einsickernde Virus «Dixieland» schnell und laut um sich – mit der Konsequenz, dass Marsch, Ländler und Polka auf mancher Bühne furios von Swing, Boogie und Blues konkurrenziert wurden.
Das Phänomen Jazz drang auch ins Haus Cizmek. Mit 16 beschaffte sich Rolf einen Kontrabass und brachte sich autodidaktisch das Spiel mit fünf Fingern auf vier Saiten bei. Schon bald gelang das so gut, dass die Tremble Kids – ab 1951 die sprühendsten Oldtime-Amateure in der Stadt Zürich – auf den jungen Mann aufmerksam wurden und ihn anstelle des Tubaspielers engagierten. 1954 bis 1961 war Rolf Cizmek Mitglied der vom Klarinettisten Werner «Wieni» Keller angeführten Kids, die 1955 für einen zweimonatigen Profi-Gig nach Düsseldorf verpflichtet wurden.
Die für wenige Wochen geplante Exkursion in eine von amerikanischen und britischen Jazzern «vorgeheizte» City entwickelte sich für die Schweizer Band zu einem mehrmonatigen Spektakel, das die im Internet abrufbare Tremble-Kids-Story so zusammenfasst: «Die Band hatte im New Orleans einen Riesenerfolg und wurde immer wieder prolongiert, sodass sie fünf Monate lang in diesem Club spielen konnte. Die jungen Deutschen hatten einen grossen Nachholbedarf. Die Gäste (…) freuten sich, Jazz live zu hören.»

Die Tremble-Kids-Jahre
Die folgenden Jahre wurden für die Tremble Kids zur ersten Glanzperiode im der langen Geschichte der Band. Man gehörte über Nacht zur europäischen Crème de la crème im traditionellen Stil. Auftritte im In- und Ausland resultierten in enger Kadenz – mal in Originalbesetzung, mal gemeinsam mit internationalen Stars. Konzertmitschnitte und Studioaufnahmen bildeten die Basis für attraktive Tonträger, auf denen die Tremble Kids etwa mit Wild Bill Davison, Albert Nicholas, Bill Coleman oder JoeTurner zu hören sind. Und immer dabei war Bassist Rolf Cizmek, der seinen damaligen Vorbildern Arvell Shaw und Walter Page in Technik und Gestus zügig näher kam.
Gleichwohl stieg der Mittzwanziger in den frühen Sechzigerjahren aus dem professionellen Zirkus aus, um sich seinen Lebensunterhalt auf «bürgerliche» Weise zu verdienen. Der Bass blieb indes für Teileinsätze stets in Griffweite. Und als Noldi Burri, der Pächter des renommierten Restaurants Widder im Zürcher Rennwegquartier, 1980 damit begann, die Bar im Hause zu einem Mekka für die Weltklasse im Mainstream-Jazz aufzupeppen, half ihm Nachbar Rolf Cizmek mit Rat und Tat. Wenn nämlich Stars wie Ray Brown, Clark Terry, Benny Golson, Gene Harris, Harry Edison oder Monty Alexander mal nicht oder nur ohne musikalisches Begleitpersonal verfügbar waren, schlug in der Widder-Bar die Stunde regionaler Favoriten im Jazz.


Die Ära Grüningen
In späteren Jahren zog Rolf Cizmek gemeinsam mit seiner künstlerisch tätigen Partnerin ins Landstädtchen Grüningen, wo er im zentral gelegenen Bären Sonntagsmatineen organisierte. Auch ausserhalb der grossen urbanen Zentren hatte sich der Jazz mittlerweile in allen Stilbereichen etabliert. Hörenswerte neue Bands wurden aktiv und Bassist Cizmek war sukzessive wieder bei den Leuten – als Mitglied der Zürcher Oberland Jazzband, des String Jazz Quartetts, der Buck Town Jazzband, der Saints, der Zürich All Stars und der mit vier Saxofonisten glänzenden Zurich Tenors. Aber auch mit Gelegenheitsformationen tat sich Rolf musikalisch nicht schwer: Er war (ebenso wie der Schreiber dieser Zeilen als Pianist) beispielsweise dabei, als Eamonn O`Malleys Intercity Jazz Group 1988 dem Traditional Jazz Salon Prag einen anglo-helvetischen Stempel aufdrückte.
Rolf Cizmek hatte Humor und verschmähte in fröhlicher Runde nie ein gutes Glas Wein. Sein grosses Talent war die Vielseitigkeit. Die Grüninger lernten ihren Zuwanderer nicht nur als Musiker und Konzertorganisator kennen, sondern bald auch als Mitglied des örtlichen Gemeinderats (1997-2006). Und seine musikalische Vita wäre unvollständig erzählt ohne den Hinweis, dass er in seiner zweiten Lebenshälfte auch in der Volksmusik zu überzeugen wusste: Sein sauber gestrichener Bass machte der von Jazzern gegründeten Folkloreformation Züri OberLändler alle Ehre.
René Bondt

 

Tremble Kids, Radio Zürich 1958

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