Porträt des Monats Dezember: Rolf Bänninger

*28. Dezember 1938, † 22. April 2017

Musik ist mal laut, mal leise. Jahrhundertelang bestimmten Komponisten neben dem Tempo auch die akustische Dynamik ihrer Werke mit Zeichensetzungen zwischen ff und pp. Heute, in einer Zeit kultureller Grenzüberschreitungen, kümmert das die grosse Masse kaum mehr. Rock und Pop verdanken der Elektronik die Fähigkeit, Musik bis zum Gehörverlust zu zelebrieren. Und im Jazz hat die interpretatorische Freiheit die Zwänge bei Melodie und Metrum, aber auch bei der Steuerung der individuellen Affekte beseitigt. Simpler gesagt: Man merkt in der Regel schnell, ob ein Jazzer beim Improvisieren seinen ganzen Gefühlsstau loswerden will oder aber es darauf anlegt, fingertechnische Akrobatik wie ein kostbares Schmuckstück in Watte zu wickeln.Die vielleicht grösste Spannweite steht im Jazz den Schlagzeugern zur Verfügung. Hier trommelt einer, ohne Rücksicht auf Band, Repertoire und Publikum, sein gigantisches Ego in den Saal. Dort huscht ein anderer mit kleinen Besen über die Felle, kaum hörbar und vorzugsweise bemüht, ja nicht in den Konter zu fallen. Zwischen diesen beiden Extremen werkeln all jene tüchtigen Drummer, die sich darum bemühen, jedem Stück, jeder Formation und jedweder Stimmung einen plausiblen rhythmischen Rahmen zu geben. Zu den besonders dienstbaren, einfühlsamen, technisch soliden und vielseitigen Handwerkern zählte der Winterthurer Rolf Bänninger, mit dem ich das Vergnügen hatte, während etlichen Jahren zur rhythm section der New Harlem Ramblers zu gehören.

Interview anlässlich 40 Jahre Metronome Quintet

Jazz und mehr ...

Apropos Handwerker: Rolf war nicht nur ein Musiker von professionellem Zuschnitt, er war auch ein Mensch mit Familie und kaufmännischem Talent. In Winterthur führten die Bänningers einen Laden, in dem man Nähmaschinen, aber auch technisch hochwertige Modellautos kaufen konnte. Gutbürgerliche Bodenständigkeit gehörte bei Rolf Bänninger zu den selbstverständlichen Charaktermerkmalen. Zur Musik kam er über das Akkordeon und die Klarinette, bevor das Schlagzeug sein Hauptinstrument wurde. Und das Etikett «Unterhaltungsmusik» war für ihn kein Tabu: Ob Trio Eugster oder Kleine Niederdorf-Oper, Rolf erledigte auch einen sogenannten Kommerzjob im Aufnahmestudio ebenso akkurat und pflichtbewusst wie seine zahllosen Einsätze mit der Elite des älteren und mittleren, aber auch des stilistisch progressiveren Schweizer Jazz.

Die Liste der Jazz-Tonträger, auf denen Rolf Bänninger als kongenialer Drummer mitwirkt, ist beeindruckend. Erste Aufnahmen entstanden 1960, als der Winterthurer im Rahmen des Zürcher Amateur-Jazzfestivals an der Seite von Hans Kennel (tp), Henri Freivogel (ts), André Hager (p) und Markus Hoffmann (b) auftrat. Bereits ein Jahr zuvor hatte sich Pianist Francis Burger bei der Einrichtung einer – allerdings nur kurzlebigen – Jazzschule in Zürich den Drummer Bänninger als Lehrer vorgemerkt. Und 1961 feierte die Zürcher Festivaljury Rolf als besten Schlagzeuger des alljährlichen Jazzwettbewerbs.

… und noch mehr

Neben dem André Hager Quintett mit Kennel als Garant für moderne Stilistik existierten damals auch die von Hager angeführten, eher am Swing orientierten Five Blazers mit Vibrafonist Ueli Staub anstelle des Trompeters. In der Folge bildete das Duo Bänninger-Staub – in mutierende Formationen – fast so etwas wie eine jazzmusikalische Lebensgemeinschaft. Beide waren sie ab 1964 Mitglieder der Swiss All Stars mit Franco Ambrosetti, Raymond Droz, Pierre Cavalli und George Gruntz.

1953, Geburtsjahr des Metronome Quartetts, galt dieses Quartett als Pionier des „Modern Jazz“. 1961 gewann die Formation mit Ueli Staub (vib), Martin Hugelshofer (p) und Felix Rogner (b) am Jazz-Festival Zürich den ersten Rang und ab 1964 sass Rolf Bänninger bis zur Auflösung der Band im Jahre 2000 am Schlagzeug. Zum Quintett wurde die Band 1957 durch den Zugang von Bruno Spoerri (sax). Internationale Auftritte in Deutschland, Japan, Österreich, Holland, Frankreich, Portugal tragen dazu bei, dass die Schweizer Jazz-Szene in Europa bekannt wurde und die Musiker einen exzellenten Ruf bekamen.

Unvergessen ist das ab 1979 realisierte, Jazz und Lyrik verbindende Zusammenwirken des Metronome Quintet mit dem Schauspieler und Rezitator Gert Westphal.

Auch im Interplay mit dem hervorragenden Saxofonisten/Pianisten Dennis Armitage, in der langjährigen Zugehörigkeit zu den New Harlem Ramblers und in unzähligen Sessions mit wechselndem Personal für Film, Funk und Fernsehen war stets Verlass auf Rolf Bänninger, den kleinen-grossen man for all sessions hinter den Drums, Becken und Pedalen.

René Bondt

Purple Gazelle (MQ-At the Zoo-1969)

EXPO Blues (MQ-1970)

Just Friends (New Harlem Ramblers1982)

Liza (New Harlem Ramblers1988)