Curt Prina – Alleskönner am Keyboard
* 31.8.1928 in Zürich, + 18.5.2018 in Eltze (D)
Als Mitte Mai 2018 eine überschaubare Trauergemeinde in Burgdorf bei Hannover Abschied von Curt Prina nahm, wurde vor allem älteren Freunden des Schweizer Jazz bewusst, dass da einer der versiertesten Keyboarder unseres Landes seine lange musikalische Laufbahn beendet hatte. Aber auch die Fans von Unterhaltungsmusik der Extraklasse trauerten mit. Curt Prina – der Vielsprachige und Multiinstrumentalist, der Komponist, Arrangeur und solistische Magier an den elektronischen Wersi-Orgeln – war nichts weniger als ein Alleskönner im Reich der Klänge.
Die Anfänge waren noch wenig spektakulär. Der Sohn italienischer Einwanderer wurde im Sommer 1928 in Zürich geboren. Musikalische Talent zeigte der Siebenjährige am Akkordeon. Mit zehn wechselte Curt ans Klavier. Später brillierte der junge Erwachsene mit dem absoluten Musikgehör aus purer Entdeckerlust oder Ensemblezwang auch als Vibraphonist, Posaunist und Trompeter. Zur wachsenden Spielpraxis gesellte sich die Musiktheorie, die den sechzehnjährigen Prina befähigte, alle Arrangemente für eine von ihm gegründete Amateur-Bigband zu schreiben.
28 Jahre an der Seite von Hazy Osterwald
Curt Prina war 18 Jahre jung, als er ins Profi-Fach wechselte. 1946 verpflichtete ihn Bandleader Bob Huber als Pianist für ein halbjähriges Engagement in Spanien. Zwei Jahre später heuerte Curt – primär als Vibraphonist und Arrangeur – beim Fred-Böhler-Sextett an. Es war die Zeit, als Europa sich aus den Traumata des Zweiten Weltkriegs löste. Die Jugend suchte Entspannung und fand den lockeren Swing, vorzugsweise jenen «made in USA». Curt Prina nutzte die Stunde und formierte 1950 mit den Saxofonisten Paul Linder und Walter Schrempp, Drummer Hazy Maag und Gitarrist Gody Schaaf eine eigene Jazz-Combo, die bis 1952 Bestand hatte, allerdings ihren Gründer je länger desto weniger zu überzeugen vermochte.
Absicht oder Zufall? – Jedenfalls kontaktierte der vierundzwanzigjährige Prina den damals schon erfolgreichen Hazy Osterwald genau zu jenem Zeitpunkt, als sich Gitarrist Pierre Cavalli von der Band des Berners trennte. Hazy zeigte sich bereit, dem jüngeren Musikus eine Chance als Interpret, Komponist und Arrangeur im Sextett zu geben – unter der Bedingung, dass der Bandneuling Posaune lerne. Curt Prina machte sich 1952 in no time mit dem langen Blasinstrument vertraut und verwendete es in der Folge oft und gerne bis ins hohe Alter.
Volle 26 Jahre lang gehörte Prina zum «harten Kern» im Hazy Osterwald Sextett, das in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren als technisch grossartige Formation wie auch als lockere Spass- und Tourneetruppe diesseits und jenseits des Atlantiks Furore machte. Auch wenn sich die Welt in Sachen Jazz, Pop und Kommerz seither spektakulär fortentwickelt hat, gehören Hazy-Memorabilien – eine Menge Platten, Compact-Discs und aufgezeichnete TV-Shows – noch heute zum Besten aus dem Unterhaltungsarchiv des letzten Jahrhunderts. Und weil Hazys damalige «Firma» den Alleskönnern im Team eine gewisse Selbständigkeit zubilligte, entstanden ab und an auch erstklassige Jazzeinspielungen in Kleinfomation – hervorragende Quartettaufnahmen etwa mit den Osterwald-Musikern Dennis Armitage, Curt Prina, Sunny Lang (alias Günther Langenbacher) und John Ward.
Ein halbes Leben für die Orgel
1978 trennten sich die Wege von Prina und Osterwald. Curt blieb der Musik fortan vor allem als Orgelsolist treu. Seine Affinität zu Hammond, Wurlizer und Co. war schon spürbar, als er noch bei Fred Böhler mitwirkte, der seinerseits ein Faible für die frühen elektromagnetischen Keyboards bekundete. Dann revolutionierte das digitale Zeitalter den Instrumentenbau: Aus dem braven Saitenklavier entwickelten sich immer raffiniertere E-Pianos, und rund um die klassische Hammond B3 gruppierte sich mit der Zeit ein ganzes Universum aus mono- und polymanualen Klangsamplern europäischer, amerikanischer und asiatischer Herkunft.
In Deutschland hiess der Pionier der E-Orgel Böhm, populärer wurde aber das Konkurrenzunternehmen Wersi. Die 1969 im rheinland-pfälzischen Simmern gegründete Firma bot ursprünglich analoge Orgeln als Fertigmodell oder Bausatz an. 2010 übernahm der Kölner MusicStore Marke, Vertrieb und Entwicklung der mittlerweile computergesteuerten Orgeln. Produziert wird indes an der deutsch-schweizerischen Grenze – im eigenständigen Wersi-Studio Hochrhein im Hohentengen.
Wer kommerziell Orgeln baut und verkaufen will, braucht Kundschaft. Es ist kein Geheimnis, dass der konzertante Einsatz bekannter Tastenakrobaten an den jeweils neusten Modellen beste Werbung darstellt. Für Wersi waren und sind namhafte Interpreten aus dem populären Bereich – etwa Klaus Wunderlich und Franz Lambert – unterwegs, gleiches gilt für den argentinischen Tausendsassa Lalo Schifrin. Auch Jimmy Smith, lange die universelle Referenzgrösse unter den Jazzorganisten, warb 1980 eine Europa-Tournee lang für die deutschen Orgelbauer – und dies gemeinsam mit dem helvetischen Virtuoso Curt Prina.
Die langjährigen Präsentationseinsätze für Wersi, aber auch private Bindungen haben wohl dazu beigetragen, dass der geborene Zürcher mit italienischen Erbfaktoren und internationaler Karriere seine Seniorenjahre vorwiegend in Deutschland verbrachte. Die Schweizer Jazzszene hat Curt Prina allerdings nicht vergessen und geniesst klingende Zeugnisse aus den ersten fünfzig Lebensjahren dieses grandiosen Keyboard-Universalisten.
René Bondt