Portrait für den Monat Oktober 2025: Hans Möckel

Hans Möckel

Kapellmeister, Leader, Komponist

17. Januar 1923 in St. Gallen – 6. Oktober 1983 in Zürich
 

War er ein Jazzer?  – Ja, gewiss, auch. Im Reich der Töne war er aber viel mehr als das. Man nannte Hans Möckel, gelegentlich mit etwas abschätzigem Unterton, einen «Unterhaltungsmusiker». Das hatte vor allem damit zu tun, dass der 1923 in St. Gallen geborene und sechzig Jahre später in Zürich verstorbene Pianist, Blasmusiker, Dirigent, Arrangeur und ungemein produktive Komponist von 1966 bis 1983 das Unterhaltungsorchester des Schweizer Radios (UOR) und die daraus hervorgegangene, auch in Populärsendungen des Fernsehens aktive DRS-Bigband leitete.

Doch der Reihe nach. Der Sohn eines Geigenlehrers und Orchestermusikers zeigte als Primarschüler wenig Sympathie für das Saiteninstrument seines Vaters, dafür reüssierte er umso schneller und virtuoser am Klavier, an der Klarinette und am Saxofon. Und als der Kantonsschüler Möckel Ende der dreissiger Jahre auf andere swingbegeisterte Kollegen stiess, nahm die erste namhafte Band mit ihm Gestalt an. Zum Kern der Amateurtruppe gehörte neben Hans Möckel (Klarinette) und Francis Burger (Piano) auch der später als Goodman-Kenner legendär gewordene Drummer Kurt Müller, dessen Pfadfindername Puli dem an Basie, Ellington, Stauffer und Co. orientierten Klangkörper angehängt wurde.

Amateure mit Ambitionen

Ab 1940 hatten die Swingpulis – mal als Kleingruppe, aber öfter als Bigband – den Ball- und Matinée-Zirkus in St. Gallen und darüber hinaus gut im Griff. Beispiele gefällig? Allein im ersten vollen Kriegsjahr legte das zunächst noch als «Schülerorchester Möckel» betitelte Unternehmen den Klangteppich an Bällen der lokalen Tanzschulen Bentele und Müller, im Juni lockerten die Pulis einen Soldatenabend bei Radio Beromünster akustisch auf, im August sowie zur Jahreswende wurden die St. Galler in führenden Hotels von Arosa und Davos aktiv, und im Oktober lieferten sie den guten Ton an einem Jazzsängerinnen-Wettbewerb, den eine gewisse «Assia von Rodel» – späterer Künstlername: Lys Assia – gewann.

Die Swingpulis lösten sich 1944 auf, als mehrere Mitglieder die Gruppe aus beruflichen Gründen verliessen. Hans Möckel beendete die Kantonsschule vorzeitig und absolvierte am Zürcher Konservatorium ein Studium in den Sparten Klavier, Komposition und Musiktheorie. Nach einem halbjährigen Engagement im professionellen Tanzorchester des früheren Stauffer-Musikers Bob Huber ging`s «klassisch» weiter: Möckel, noch kaum volljährig, wurde vom Stadttheater St. Gallen als Dirigent angestellt. Er verdankte diese Berufung postwendend mit einem Ballettabend, zu dem er die Musik selbst schrieb.

Radio und Fernsehen

1947 verliess der junge Kapellmeister seine Heimatstadt und zog mit Gattin Ella nach Basel. Dort war das lokale Studio des Deutschschweizer Radios zum Standort des neugegründeten Unterhaltungsorchesters unter Leitung von Cédric Dumont erkoren geworden, an dessen Seite Hans Möckel eine neue Stelle als Arrangeur und zweiter Dirigent fand. 1966 überliess Dumont die Führung des UOR seinem Stellvertreter, der sich immer auch für gute Blasmusik einsetzte. Hans Möckel war massgeblich an der Gründung des Radio-Blasorchesters in Basel beteiligt und dirigierte im Laufe seiner Radiokarriere die Polizeimusik Basel, die Stadtmusik Zürich und die Feldmusik Jona.

Mit dem Standortwechsel des Radio-Orchesters von Basel nach Zürich ergaben sich ab 1976 engere Kooperationen mit dem gleichenorts tätigen DRS-Fernsehen. Die Auftritte der Allround-Band im Rahmen der «Teleboy»-Sendungen wurden legendär. Das etwas grossstädtischere Flair an der Limmat wirkte sich hörbar stimulierend auf die «Staatsmusiker» aus: Der Sound des Ensembles wurde eine Prise progressiver, auch jazziger und ermöglichte den Zuzug erstklassiger ausländischer Interpreten. Die Dynamik setzte sich weiter fort, als Peter Jacques – zunächst als Möckels Sideman, ab 1983 als Leader  –  die Radiomusiker übernahm. Die DRS-Bigband war musikalisch bestens unterwegs, als die Führungsriege des helvetischen Rundfunks 1986 beschloss, die drei Radio-Orchester hierzulande aus Kostengründen aufzulösen.

Immenser Werkkatalog

Hans Möckel erlebte dieses schnöde Ende nicht mehr. Aber seine 36 Basler und Zürcher Jahre waren für den Liebhaber beinahe jeder Form von Theater insgesamt Bühne genug für eine rastlose Komponistentätigkeit diesseits und jenseits des Radios. Ein Blick auf den in der Zürcher Zentralbibliothek aufgelisteten Nachlass enthüllt Möckels unbändige Schaffenslust in den Sparten Orchester-, Ballet-, Bühnen-, Film- und Hörspielmusik. Besonders seine eingängigen Chansons für die mit dem Autoren-Trio Werner Wollenberger, Hans Gmür und Karl Suter realisierten Musicals – etwa «Eusi chlii Stadt», «Bibi-Balù» oder «Z wie Züri» – haben sich bis auf den heutigen Tag einen Platz auch im Erinnerungsvermögen eingefleischter Jazzfans gesichert.

Sollten indes einige dieser Fans immer noch an Hans Möckels Genen für den Jazz zweifeln: Thomas Möckel, Jazzmusiker von hohem Rang, ist sein Sohn.

René Bondt

Video 

Regina Kempf präsentiert die weniger bekannten Seiten des Musikers, Komponisten und Bandleaders der DRS-Big-Band Hans Moeckel

Hans Moeckel im Gespräch mit Regina Kempf
Aus Unbekannte Bekannte vom 31.05.1982

Musikbeispiele

1-9    Let's Dance
DRS Big-Band 1975

1-14    You'd Be So Nice To Come Home To 
Unterhaltungsorchester Beromünster 1967

1-18    Whispering
DRS Big-Band 1983

2/15 Foot Pattin’
Unterhaltungsorchester Beromünster 1970
 

Hans Möckel mit seinen 18 Swingpullis: "Organ Grinder's Swing",  1941

Fotogalerie