
der Allrounder
28. Mai 1928 in Leeds – 5. November 2005 in Zürich
Biografische Internet-Recherchen enden nicht selten in einem Wirrwarr mit überraschenden Schnittstellen. Wer etwa den Namen Dennis Armitage googelt, landet ohne Umschweife im Norden Englands und wird dort via Bild und Text entweder mit einem herausragenden Musiker aus Leeds oder aber mit einem kühnen Royal-Air-Force-Piloten aus der Epoche der ruhmreichen «Battle of Britain» konfrontiert. Beide dienten in den britischen Streitkräften, der eine während des Zweiten Weltkriegs, der andere kurz danach. Ob sich die zwei Männer je begegnet sind?
Aus schweizerischer Optik besteht Anlass, an den Jazz- und Allroundmusiker, Komponisten und Arrangeur Dennis Armitage zu erinnern, der nach einer zwei Jahrzehnte dauernden internationalen Karriere und einer noch deutlich längeren Wirkungszeit im Gastland Schweiz am 5. November 2005 in Zürich starb. Als Dennis 1928 geboren wurde, zählte die Yorkshire-Metropole Leeds rund 650'000 Einwohner. Textilindustrie und Maschinenbau waren bis 1945 die Wachstumstreiber, dann gewannen die Sektoren Dienstleistungen und Bildung an Bedeutung. Seit 1963 hat sich die Leeds International Piano Competition zu einem der weltweit bedeutendsten Musikwettbewerbe entwickelt.
Sprungbrett London
Von talentfördernden Institutionen konnte der junge Armitage nicht profitieren, aber schon im Alter von fünf Jahren gab ihm ein Kirchenorganist Klavierunterricht. Als 15-jähriger Pianist trat er erstmals öffentlich auf und verdiente in der Folge seinen Lebensunterhalt teilweise als Musiker in lokalen Brauhäusern. Schon mit 16 verliess er den englischen Norden, um sein Glück in London zu suchen. Chancen boten ihm dort zwei damals durchaus populäre britische Bandleader – zuerst Harry Parry, dessen Swingsextett über hundert Schellackplatten einspielte und am Piano zeitweilig auch George Shearing beschäftigte, anschliessend Teddy Foster, der mit seinem 17-Mann-Orchester musikalische Massstäbe in den englischen Tanzpalästen jener Ära setzte.
«Mitte der Vierzigerjahre traf ich auf eine Reihe bekannter Musiker, die sich bald als Bebop-Pioniere in der Londoner Szene einen Namen machten», erzählte Dennis später dem Swissjazzorama-Chronisten Jimmy T. Schmid. «Da war der Tenorsaxofonist Ronnie Scott, der später den berühmten Club Ronnie Scott`s gründete. Dann der Trompeter Jimmy Deuchar sowie die Altsaxofonisten Johnny Dankworth und Derek Humble.»
15 Jahre Hazy Osterwald
1946 folgte Dennis Armitage dem Ruf der Nation und diente zwei Jahre lang in der britischen Armee. Gefragt war dort weniger der Vaterlandsverteidiger als vielmehr der Instrumentalist, denn Rekrut Armitage stiess zur Band des sogenannten Buffs-Regiments, wo sich der junge Keyboarder schnell und gründlich mit der «Waffengattung» Saxofon vertraut machte. Richtungsweisend waren für den Fan von Benny Goodman und Teddy Wilson nicht so sehr die Tourneekonzerte und Paraden des militärischen Klangkörpers: Seine virtuellen Lehrmeister wurden die neuen Stars des amerikanischen Bebop und Westcoast-Jazz, vor allem die Tenoristen Stan Getz und Zoot Sims, denen Armitage technisch und stilistisch bald einmal verblüffend nahe kam.
1951 kreuzten sich die Wege von Dennis Armitage und Hazy Osterwald, der damals mit seinem polyvalenten und bereits europaweit bekannten Sextett in England spielte – und den 33jährigen Briten sogleich in sein dynamisches Team einbaute. «Hazy hatte mich eigentlich eingestellt, um Klavier zu spielen, doch als dann Curt Prina als Pianist und Trombonist zur Band kam, spielte ich sehr viele Nummern mit dem Tenorsax», erklärte Dennis in einem Rückblick auf seine 15 Intensivjahre in der universell begehrten Jazz- und Entertainment-Truppe schweizerischen Ursprungs.
Interpet, Komponist, Arrangeur
Armitage beherrschte – wie alle Osterwald-Solisten – nicht nur mehrere Instrumente, er wurde dank theoretischer und praktischer Schulung in der Armee auch ein fleissiger Komponist und exzellenter Arrangeur. Diese Fähigkeiten kamen ihm nach seinem Austritt aus Hazys Sextett materiell sehr zustatten. Dennis wirkte bei Radio- und Fernsehproduktionen mit, schrieb eigene Musik und entwickelte Orchestrales für kleine Brass-Ensembles und Bigbands, für grosse Blasorchester wie auch für Alphornisten. In den achtziger Jahren ergab sich für den Angloschweizer eine langfristige, fruchtbare Zusammenarbeit mit dem welschen Musiker, Produzenten und Verleger Marc Reift.
Aber Dennis Armitage verkümmerte in seiner zweiten Lebenshälfte nicht zum «Schreibtischtäter» und Hobbymaler. Er blieb zeitlebens ein feiner und solider Musiker mit eindrucksvoller stilistischer Spannweite. Unvergessen sind die Quartett-Aufnahmen des Tenoristen Armitage in grossartiger Modern-Jazz-Manier. Und wer das Glück hatte, dem Barpianisten Armitage – beispielsweise im Zürcher «Storchen» – zuzuhören, weiss definitiv, wieviel rhythmische Eleganz und harmonischen Reichtum zehn kleine Finger produzieren können.
René Bondt
SWR-Hazy Osterwald Doku (1965)
Hazy Osterwald - When the Saints go marching in
Hazy Osterwald - Classic Collection 1951-1964
CD 4x

1–15 Oh! Babe, 17.12.1952
Dennis Armitage p
2–16. Three Coins In The Fountain, 24.09.1954
Dennis Armitage voc
2–13. The Eagle, 24.09.1954
Dennis Armitage ts
3–3. Peg O' My Heart, 3.12 1955
Dennis Armitage ts
4–8 John Brush, 21.06.1963
Dennis Armitage ts
4–3 Fly Me To The Moon, 21.06.1963
Dennis Armitage ts
Dennis Armitage, Piano Solo
1989 CD

1–9 Honeysuckle Rose
Dennis Armitage p





